Eisenbahn-"Liberalisierung"

EU-Parlament stimmt "zweitem Eisenbahnpaket" zu

 Als Ausrede für Privatisierungsschritte im Eisenbahnbereich muss gerade derzeit immer wieder die Europäische Union herhalten, und dies obendrein gar nicht mal so selten aus gutem Grund. So hat etwa bereits das Ende 2000 verabschiedete "erste Eisenbahnpaket" (Infrastrukturpaket) die schrittweise Marktöffnung für den internationalen Schienengüterverkehr eingeleitet. Allerdings sind Rechtsetzungen der Europäischen Union nicht gottgegeben, sondern langwierigen Prozessen unterworfen, in die PolitikerInnen auch intervenieren können, und sei es nur als Reaktion auf gewerkschaftlichen Druck oder sozialpolitischen Protest.

Mitte Jänner 2003 wurde im Europäischen Parlament das "zweite Eisenbahnpaket" zur Liberalisierung des Eisenbahnverkehrs behandelt - in erster Lesung im "Verfahren der Mitentscheidung". Das heißt, nach der erfolgten Beschlussfassung im europäischen Parlament erfolgt noch die Behandlung im Rat - unter Beteiligung der VerkehrsministerInnen der Mitgliedsstaaten - und eine zweite Lesung im Parlament.


Kernstück des zweiten Eisenbahnpakets ist der Jarzembowski-Bericht, der neben einer beschleunigten Öffnung der internationalen und innerstaatlichen Schienenfrachtdienste (Kabotage) auch eine rasche Öffnung des Personenverkehrs, sowie die Streichung der sicherheitsrelevanten Bestimmungen fordert.

>>Dokumentation: Bericht Georg Jarzembowski (A5-0417/2002) - Entwicklung der Eisenbahnunternehmen


Als "begleitende Maßnahmen" sind die drei anderen Berichte zu sehen:

Der Sterchx-Bericht zur Sicherheit (Sicherheitsrichtlinie) fordert die Schaffung nationaler Sicherheitsbehörden und die Harmoniserung der nationalstaatlichen Sicherheitsvorschriften, die Zulassung neuer nationaler Vorschriften soll sehr restriktiv betrieben werden, weiters betrifft die Richtlinie ausschließlich die Betriebssicherheit.

>>Dokumentation: Bericht Dirk Sterckx (A5-0424/2002) - Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft


Der Ainardi-Bericht betrifft die sog. "Interoperabilität" (= Kompatibilität der nationalen Systeme). Unterschiedliche Normen und oftmals unvereinbare Terminplanung und Fahrtzeiten haben die Harmonisierung des gesamten europäischen Eisenbahnnetzes lange Zeit behindert. Die Interoperabilität betrifft neben der technischen (z.B. Sicherungstechnik) Ebene, auch den Verwaltungsbereich, Sozialvorschriften, Sicherheits- und Umweltaspekte. Die Harmonisierung muss aus Sicherheitsgründen auf einem hohen Niveau und nicht auf dem Mindestniveau erfolgen.

>>Dokumentation: Bericht Sylviane H. Ainardi (A5-0418/2002) - Interoperabilität des transeuropäischen Eisenbahnsystems


Der Bericht von Savary fordert eine europäische Eisenbahnagentur. Diese soll für die Sicherheit im europäischen Bahnverkehr und die Interoperabilität zuständig sein. In die Arbeit der Agentur sollen auch die Sozialpartner und KonsumentenschützerInnen eingebunden werden.

>>Dokumentation: Bericht Gilles Savary (A5-0441/2002) - Europäische Eisenbahnagentur

 

Die obigen Links führen zur jeweils deutschsprachigen Fassung der genannten Dokumente. Weitere Informationen gibt es bei der Europäischen Kommission:
>>"Ein neues Paket für den Eisenbahnbereich"

 

 

Georg JARZEMBOWSKI (EVP-ED, D) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft
Dok.: A5-0417/2002
Verfahren: Mitentscheidung (erste Lesung), ***I
Gemeinsame Aussprache und Annahme: 14.01.2003 (mit 405:113:9 Stimmen)

Dirk STERCKX (LIBE, B) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung
Dok.: A5-0424/2003
Verfahren: Mitentscheidung (1. Lesung),
***I Gemeinsame Aussprache und Annahme: 14.01.2003

Sylviane AINARDI (KVEL/NGL, F) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 96/48 EG des Rates und der Richtlinie 2001/167EG über die Interoperabilität des transeuropäischen Eisenbahnsystems
Dok.: A5-0418/2002
Verfahren: Mitentscheidung (erste Lesung),
***I Gemeinsame Aussprache und Annahme: 14.01.2003

Gilles SAVARY (SPE, F) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur
Dok.: A5-0441/2002
Verfahren: Mitentscheidung (1. Lesung),
***I Gemeinsame Aussprache und Annahme: 14.01.2003