Regierungsträumereien:
Privatisierung der ÖBB ist Kriegserklärung

Offener Brief an Eva Glawischnig und Evas Antwort

Offener Brief an die stellvertretende Bundessprecherin der Grünen
Eva Glawischnig

Betreff: 10 Punkte der ÖVP

Wie wir den Medien entnehmen durften, hat sich die ÖVP zehn Punkte als besonders diskussionswürdig überlegt. Unter anderem die weitere Privatisierung von ÖIAG-Unternehmen sowie die Zerschlagung der ÖBB in eine Holding. Laut "KURIER" signalisieren die GRÜNEN Gesprächsbereitschaft. In der Ausgabe vom 08.01.2002 wirst du wie folgt zitiert: "ÖIAG, Bahn, Post: Die Privatisierungen sind keine Kriegserklärung, es kommt auf die Details an. Das müsste konkretisiert werden."

Wir erlauben uns - ganz konkret - zu widersprechen. Für uns als GRÜNE UND UNABHÄNGIGE EISENBAHNERINNEN / GUG sind solche Überlegungen sehr wohl eine Kriegserklärung! Eine Kriegserklärung an die Beschäftigten der angesprochenen Unternehmen, an die Bevölkerung und, im Falle der ÖBB auch an Ökologie, Sicherheit und Ökonomie.

Wem das Ergebnis einer solchen Privatisierung nicht klar ist, die/der möge sich diese "Erfolge" doch bitte in Großbritannien und den USA zu Gemüte führen.

Der Sinn, welcher hinter diesen Überlegungen steckt, ist doch offensichtlich. Sparen, sparen und nochmals sparen. Das kennen wir schon. Da haben wir schon mitgemacht - unter anderen Regierungskonstellationen. Und uns reicht es schön langsam.

Wir fordern: Keine weiteren Privatisierungen, keine Zerschlagung der ÖBB, Herstellung von Chancengleichheit zwischen öffentlichem und privatem Verkehr.


Wir hoffen, dass die Grünen noch einmal in sich gehen und nicht bereit sind, sich auf dem Altar einer Koalitionsregierung zu opfern - und uns dazu!


Mit gewerkschaftlichem Gruß

Anton Hedenig, Bundessprecher der GUG
Gerhard Dober, Wolfgang Mandl, Stellvertreter

 

Antwort von Eva Glawischnig:

Liebe MitstreiterInnen,

danke für euer Schreiben vom 12. Jänner betreffend einen Bericht des "Kurier" vom 8. Jänner über das so genannte Zehn-Punkte-Papier der ÖVP, in dem auch ich zitiert wurde.

Das Gespräch mit mir zu diesem Thema wurde von meinem (bekanntermaßen schwarz-grün-affinen) Kurier-Gegenüber Norbert Stanzel sehr verkürzt und dadurch grob verzerrt wiedergegeben. Entgegen der Darstellung habe ich natürlich eine differenzierte Stellungnahme zum gesamten mir unterbreiteten Themenkomplex abgegeben, daraus hat mein Gesprächspartner einen Satz als angebliche Antwort zusammenkombiniert. Ich hatte die Frage, ob die Grünen jetzt (!) auch auf die Straße gehen werden, mit "Das ist keine Kriegserklärung" beantwortet, und daraus ist der von euch inkriminierte Satz im Kurier-Bericht entstanden. Zu dieser Antwort stehe ich, denn ich sehe unseren Weg als Partei tatsächlich nicht darin, wegen eines Papiers aus der Lichtenfelsgasse (Zentrale der Bundes-ÖVP, Anm. Red.) umgehend "die Republik zum Stehen" zu bringen, sondern in demokratischer, ergebnisorientierter, ökologisch, sozial und ökonomisch reflektierter Arbeit im Sinne der Bevölkerung, die unser Souverän, Steuerzahler und ÖBB-Eigentümer ist.

Eine ideologisch-parteipolitisch motivierte und noch dazu nicht nachvollziehbar argumentierte Haudrauf-"Lösung" a la ÖVP werden die Grünen so natürlich niemals unterstützen. Im Hinblick auf die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen und im Hinblick auf die für die Zahler ebenso wie für Umwelt- und VerkehrspolitikerInnen vielfach unbefriedigende Angebots- und Betriebssituation im Schienenverkehr halte ich allerdings ein schlichtes "Weiter wie bisher" ebenso wenig für erfolgsträchtig, abgesehen davon, dass dies in einzelnen Bereichen offenkundig gegen längst bekannte EU-Vorgaben verstoßen würde. Die Probleme, die es im Schienenverkehr gibt, auch rund um die ÖBB, werden wir bzw. wird Österreich jedenfalls lösen müssen, aber mit einer Offensiv- und nicht mit einer Defensivstrategie, sonst könnte es sein, dass das Unternehmen mit allen ökologischen, sozialen und ökonomischen Nebenwirkungen vor die Hunde geht, ganz gleich in welcher Eigentumsform. Und das heißt unter anderem auch, dass man sich klar sein muss, dass innerhalb der nächsten Jahre bahnbezogen jedenfalls einige Milliarden Euro derzeit maastrichtmäßig bei den ÖBB versteckte Bundesschulden wieder zusätzlich im Budget unterzubringen sein werden, und da muss man sich auch überlegen, woher die real kommen sollen. An diesen Fragen und an den entsprechenden verkehrspolitischen Weichenstellungen wird keine nächste Regierung und keine Opposition vorbeikommen, das ist alles wesentlich entscheidender als die - allerdings einfacher instrumentalisierbare - Strukturfrage. Eine billige Schwarz-Weiß-Politik im Stil des GdE-Vorsitzenden unter Aussparung unangenehmer oder komplexerer Teile dieser Bahn-Realität halte ich in dieser Situation ebenso wenig für angemessen wie die hauptsächlich partei-, budget- und machtpolitisch motivierte ÖVP-Linie oder eben ein "Weiter wie bisher", das ohne jede Dauer-Perspektive wäre.

Ich schlage daher vor, dass wir auf seriöser und differenzierter Basis gemeinsam für die von euch angesprochene Chancengleichheit von Öffentlichem und Individualverkehr und generell für eine Stärkung des Schienenverkehrs eintreten, wie es Inhalt der Grünen Parteiprogrammatik und der Grünen Politik ist und natürlich auch bleiben wird.

Mit besten Grüßen
Eva Glawischnig