VfGH-Beschwerden von EisenbahnerInnen:

Verfassungsgerichtshof tagte!

Am 01. Oktober 2003 war es soweit. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) trat um 10:30 Uhr zu einer öffentlichen Sitzung zusammen, um über die Beschwerden von einigen Eisenbahnern – darunter auch der Bundessprecher der Grünen und Unabhängigen EisenbahnerInnen (GUG) – sowie von 64 SPÖ-Nationalratsabgeordneten und des Obersten Gerichtshofes (OGH) zu beraten.
Hier der Bericht von Hedenig Anton – Bundessprecher der GUG:

Es hat schon etwas beeindruckendes, wenn man, so wie ich, zum ersten Mal die „ehrwürdigen Hallen“ des Verfassungsgerichtshofes betritt.
Meine Überlegungen über den Ausgang dieses Verfahrens gingen in die Richtung, dass ich befürchtete, dass der VfgH ein politisches und kein juristisches Urteil fällen wird. Politisch aus dem Grund, da die Zusammensetzung des VfGH aus überwiegend der ÖVP nahe stehenden Personen entspricht. Zumindest wird es in der Öffentlichkeit so dargestellt. Zum anderen habe ich befürchtet, dass die Grundlage der Entscheidung eine budgetäre sein wird. Kurzum, meine Annahme war, dass wir diesen „Prozess“ verlieren werden.
Umso überraschter war ich, als ich nach der Berichterstattung an das Gericht und den Ausführungen der anwesenden Rechtsanwälte die Fragen von einigen Richtern an die Vertreter der Bundesregierung und den ÖBB zu hören bekam.
Diese Fragen gingen in eine Richtung, die doch an Deutlichkeit wenig zu wünschen übrig ließen und die gegnerischen Anwälte zeitweise in einem ziemlichen Argumentationsnotstand brachten.
Hier einige Auszüge von APA Meldungen:

Mit dem Gesetz habe man "dem Vorstand für diesen Bereich die Verhandlungen ersparen" und gleichzeitig verhindern wollen, dass die Unternehmensleitung sich mit der Belegschaftsvertretung am Ende "auf eine Verbesserung einigt, die zu Lasten des Bundes geht", sagte auch Leitner auf die überraschte Nachfrage von Richter Gerhart Holzinger. "Davon steht aber nichts in der Erläuterung", meinte Holzinger.

SP-Justizsprecher Jarolim meinte darauf: Nicht zu wissen, wie man mit einer Situation umgehe, sei "kein Grund, in die Privatautonomie einzugreifen". In Hinblick auf die geplante ÖBB-Dienstrechtsreform, meint er, sei die "Sache zu sensibel, um akzeptiert zu werden.

Der Anwalt der Gewerkschaft, Roland Gerlach, warnte davor, dass die österreichischen Eisenbahner durch diese Änderungen die erste Arbeitsgruppe in Europa werden könnten, die über ihre Ansprüche nicht mehr mit ihrem Arbeitgeber - der ÖBB-Führung - disponieren könnten, sondern nur noch mit dem Finanzier - dem Bund. Dadurch sieht Gerlach sogar das Streikrecht der Eisenbahner in Gefahr. Wenn der Arbeitgeber nichts mehr ändern könne, gebe es für die Belegschaft auch "kein legitimes Streikziel mehr", so der Rechtsanwalt.

Interessant die Äußerungen von Richter Spielbüchler:

Er konfrontierte die Regierungsvertreter mit einem Vergleich mit dem Abfangjäger-Ankauf. Wenn man aus Budgetgründe in die privatrechtlichen Verträge der Eisenbahner eingreifen könne, könnte man auch per Gesetz den mit EADS im Kaufvertrag vereinbarten Preis für die Ankauf der Abfangjäger um 10 Prozent senken, "weil der Bund draufkommt, dass er die Kosten nicht mehr tragen will", meint Spielbüchler.


Richter Rudolf Müller räumte ein, dass mit dieser Argumentation (Anm: gemeint war, dass der Bund aufgrund von öffentlichem Interesse per Gesetz eingegriffen hat)auch etwa Kollektivverträge im Banken- und Sparkassenbereich in ein Gesetz übernommen und an die ASVG-Vereinbarungen angeglichen werden könnten. "Da hätte ich aber gesetzliche Zweifel daran", betonte Müller.

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sprach bei der Verhandlung von einer "Enteignung der Eisenbahner" und einer "Verstaatlichung privater Ansprüche". Auch dass Belegschaftsvertreter Änderungen nicht mehr mitsprechen könnten, sei in der privatrechtlichen Arbeitswelt gänzlich "unüblich" und mit dem Vertrauensschutz nicht vereinbar. Aber nicht nur die Arbeitnehmer, sondern auch der ÖBB-Vorstand würden "entmündigt", meint Jarolim.

Das gestanden die Vertreter der Regierung sogar ein. Die Regierung sei "vor der Wahl gestanden, mit der Gewerkschaft weiter zu verhandeln, oder eine gesetzliche Regelung zu treffen". Die Gewerkschaft habe bei der Anhebung des Pensionsantrittsalters keinen Spielraum gesehen. Auch der ÖBB-Vorstand habe Bedenken vorgelegt, weil er seine Geschäftspläne in Gefahr gesehen habe, sagte Rechtsanwalt Peter Alberer.

Soweit die APA-Meldungen.

Eines ist aber sehr deutlich geworden. Dass die Entscheidung, die der Verfassungsgerichtshof trifft, eventuell auf die laufenden Veränderungen massiven Einfluss haben wird. Soll heißen: Stellt der VfgH fest, dass das Bundesbahnpensionsgesetz 2001 verfassungswidrig ist, dann kann sich die Bundesregierung auch ihren derzeitigen Begutachtungsentwurf in die Haare schmieren. Es kommt jetzt nur auf den Verfassungsgerichtshof und seine Richter an. Die Entscheidung soll noch im Herbst 2003 fallen.