OFFENER BRIEF an die AK
 

An
Mag. Kurt Retzer
Rechtsabteilung
AK Wien


Betreff:  Dein Schreiben vom 30.09.2004 – Rechtschutzablehnung

Servus Kurt!

Mit großem Bedauern habe ich erfahren, dass die AK-Wien nicht bereit ist, Eisenbahner-KollegInnen, welche gegen die Vereinbarung – abgeschlossen zwischen GdE/PV und ÖBB Vorstand - im April 2004, für die bevorstehende Klage Rechtschutz zu gewähren.

Zu dem Bedauern gesellt sich aber auch eine gehörige Portion Unverständnis über diese Haltung der Arbeiterkammer.

Abgesehen von den formalistischen Ablehnungsgründen, ich kenne auch andere, nicht den Regulativen entsprechende Vorgangsweisen, sind die weiteren angeführten Ablehnungsgründe für die Betroffenen nicht nachvollziehbar.

Die oben angeführte Vereinbarung wurde Ende April „ausverhandelt“ und trat mit 01. Mai 2004 in Kraft (siehe Anhang). Damit ist aus unserer Sicht sehr wohl ein Feststellungsinteresse gegeben. Übrigens wurde diese Meinung sehr wohl von AK Juristen unterstützt. Nur eben nicht aus Wien.

Diese Vereinbarung hat aber zur Folge, dass massive Eingriffe in privatrechtliche Verträge erfolgen. Dies hat wiederum zur Folge, dass nicht die Klage als solche die Ziele des Novemberstreiks 2003 – wie Du schreibst „konterkarieren“, sondern das Ergebnis der Vereinbarung sämtliche Beschlüsse der letzten Gewerkschaftstage der Gewerkschaft der Eisenbahner, um bei Deiner Wortwahl zu bleiben „konterkarieren“, sondern darüber hinaus die Sinnhaftigkeit solcher Akklamations- und „auf-die-eigene-Schulter-klopf-veranstaltungen“ überhaupt in Frage stellt.

Das der Gesetzgeber selbstverständlich jederzeit aus dieser Thematik auch ein Gesetz formen hätte können, ist uns allen klar. Deshalb sollten Arbeitnehmervertreter noch lange keine weichen Knie bekommen. Denn auch Gesetze sind nicht in Granit gemeißelt und damit einklagbar – siehe Hauptverband – siehe GdE Vorsitzender Haberzettl – siehe die vielen, vielen anderen Klagen.

„…widerspricht daher die Führung gegenständlicher Prozesse den allgemeinen Interessen der Arbeitnehmer…“, so Dein Schreiben abschließend. Mit Verlaub, aber ich bin der Überzeugung, dass die „Arbeitnehmer“ – sollen wohl wir EisenbahnerInnen damit gemeint sein - selbst entscheiden können, ob so ein Rechtsstreit für oder gegen ihre Interessen ist. Ich denke nicht, dass es Aufgabe der gesetzlichen Interessensvertretung ist, Arbeitnehmer zu entmündigen. Im Hinblick auf die gerade von Regierungsseite durchgeführte Enteignung, wäre das nämlich das berühmte Tüpfelchen auf dem " i ".

Wahrscheinlich bin ich ein Dinosaurier, wenn es um mein Verständnis, die Arbeitnehmervertretung betreffend, geht. Aber ich glaube halt, dass eine Institution wie die Arbeiterkammer eine ist, die „verdammte“ Pflicht hat ihre Mitglieder zu vertreten. Und zu diesen zählen (und zahlen) nun einmal auch wir EisenbahnerInnen – oder?

Hier geht es 47000 (in Worten: siebenundvierzigtausend) Menschen, ihrer Zukunft und die Zukunft ihrer Familien. Dies sollte es doch Wert sein diese Entscheidung nochmals zu überdenken.

 

Mit freundlichem Gruß

Hedenig Anton