OFFENER BRIEF

                                                                

Sehr geehrte Frau Hodoschek,                                                                  Krensdorf, 21.07.2004
sehr geehrter Herr Jandrasits!


Betreff: Ihre Artikel im KURIER vom 21.Juli 2004

Als Bundessprecher der GRÜNEN UND UNABHÄNGIGEN EISENBAHNERINNEN / GUG wehre ich mich ganz entschieden gegen ihre Art der Berichterstattung, sowohl das Pensionsrecht, als auch den Kündigungsschutz betreffend.

Sie verschweigen der lesenden Öffentlichkeit, ganz entscheidende Fakten. Mir ist schon klar, dass ihre Art der populistischen „Auseinandersetzung“ mit den derzeit diskutierten Vorgängen rund um die Ruhestandsversetzung von Dr. Wolfgang Moldaschl bei den LeserInnen besser ankommt, als eine wirklich kritische, hinterfragende und Fakten liefernde Berichterstattung. Mehr Arbeit wäre natürlich erforderlich.

Nun aber zu den Fakten:

Den Begriff „Frühpensionierung“ haben sie offensichtlich aus dem ASVG übernommen. Sowohl die Pensionsordnung, als auch das Pensionsgesetz für ÖBB Angestellte kennen diesen Begriff nicht! Dr. Moldaschl ist also nicht wie sie schreiben „Frühpensioniert“ worden, sondern wurde nach dem geltendem Pensionsgesetz in den „dauernden Ruhestand“ versetzt. Mit all’ seinen Konsequenzen. Er unterliegt beispielsweise nach wie der Disziplinar- und der Dienstordnung der ÖBB und ist nach wie vor ÖBB Angestellter – nur eben in den Ruhestand versetzt. Er kann also jederzeit wieder aktiviert werden. Das das Unternehmen für einen Mitarbeiter vom Range Moldaschls keine weitere Verwendung mehr hat – das liegt dann aber schon am Unternehmen und nicht an Dr. Moldaschl! Aber die Vergangenheit zeigt uns ja, dass das Unternehmen mit hunderten Mitarbeitern genauso umgegangen ist. Dr. Moldaschl kann aber selbstverständlich den Rechtsweg beschreiten und gegen die Ruhestandsversetzung Klage führen.

Es gilt jetzt aber zu hinterfragen, wieso eine solche Möglichkeit der „Ruhestandsversetzung von Dienstes wegen“ überhaupt besteht. (Dies wäre nun ihre Aufgabe gewesen)

Zu diesem Zwecke ist es notwendig, eine kurze Reise in die Vergangenheit anzutreten, nämlich in eine Zeit, in der es dem Unternehmen sehr schwer fiel, Menschen zu finden, die bereit waren für das selbige zu arbeiten. Die Gründe dafür waren unter anderem die äußerst bescheidene Bezahlung, miserable Dienstzeiten, wesentlich schlechtere Vergütungen für Sonn-, Feiertag- und Nachtarbeit. (Dies ist auch heute noch so!!!) Also musste man sich etwas einfallen lassen, um überhaupt Beschäftigte zu motivieren für dieses Unternehmen tätig zu werden. So kam es, unter anderem, zur 35 jährigen Dienstzeit und zur „Definitivstellung“. Natürlich war voraussehbar, dass es im Zuge von Rationalisierungen zu Einsparungen im Personalbereich kommen würde. Daher auch die Möglichkeit Bedienstete von Dienstes wegen in den dauernden Ruhestand zu versetzen.

Und nun kommen sie und ihresgleichen und regen sich furchtbar auf, dass es eine solche Möglichkeit noch immer gibt. Nein, es wird sogar als „Auswuchs“ dargestellt.

Da erlaube ich mir aber schon an sie ein paar Fragen zu stellen:

Wieso haben sie niemals die Einkommenssituation von uns EisenbahnerInnen als „Auswuchs“ gegen uns Bediensteten angeprangert? Immerhin ist die Lebensverdienstsumme von uns EisenbahnerInnen um hunderttausende Euro niedriger als vergleichbarer Berufsgruppen. (Darüber gibt es eine AK- Studie)

Wieso informieren sie die LeserInnen nicht darüber, dass EisenbahnerInnen seit 1994 einen zusätzlichen „Pensionsicherungsbeitrag“ – aktive als auch in den Ruhestand versetzte – leisten?

Warum verschweigen sie der Öffentlichkeit, dass EisenbahnerInnen keinen Versetzungsschutz genießen?

Seit dem Jahr 2000 leisten EisenbahnerInnen einen Arbeitslosenversicherungsbeitrag – trotz definitivem Arbeitsverhältnis – kein Wort darüber von ihnen. Warum?

1,8 Millionen ÖsterreicherInnen haben eine Arbeitswoche die weniger als 40 Stunden beträgt – EisenbahnerInnen arbeiten aber 40 Stunden und mehr – haben sie darüber schon einmal eine Zeile verloren? Warum nicht?

Wir EisenbahnerInnen berappen einen höheren Krankenversicherungsbeitrag als ASVG Beschäftigte und haben zusätzlich schon immer einen „Selbstbehalt“ bezahlt. Auch darüber kein Wort von ihnen. Auch hier stellt sich die Frage: Warum nicht?

Stichwort Abfertigung: Nach 35, 40 oder künftig 45 Jahren erhalten wir keinen Cent Abfertigung.

Sie werden sicher in der Lage sein, sich auszurechnen auf welche Summen hier jede/r einzelne von uns verzichtet. Aber schreiben sie das auch in ihrer Zeitung? Natürlich nicht!

Es gäbe noch jede Menge weiterer Beispiele, die deutlich machen, warum unsere privaten Dienstverträge so sind wie sie eben sind.

Über Jahrzehnte hat sich diese Republik Milliarden an uns EisenbahnerInnen erspart. Und jetzt, weil’s halt grad so schön passt, will man uns zusätzlich bluten lassen. Und da wundern sie sich, wenn wir uns nicht wie die Lämmer zur Schlachtbank führen lassen wollen?

Ich möchte nicht erleben, dass sie einmal in unsere Lage versetzt werden – dann wird’s wahrscheinlich Monatelang keine Zeitung mehr geben – oder?

Die Inhalte unserer Dienstverträge haben schon einen Sinn, und wir werden sie mit allen Mitteln verteidigen. Nicht weil wir sture Hund’ sind, die sich nix wegnehmen lassen wollen, sondern weil Vertrag Vertrag ist und Recht Recht zu bleiben hat!

Aus diesem Grund werden in Kürze die ersten Klagen bei den Österreichischen Arbeits- und Sozialgerichten, gegen die massiven Vertragseingriffe, eingebracht werden.

Sollte sie der Inhalt dieser Klagen interessieren, dann können sie diese gerne unter

www.gruene-eisenbahner.at

nachlesen. Wir verschweigen der Öffentlichkeit nämlich gar nichts!!!

 

Mit trotzdem freundlichem Gruß

Hedenig Anton
Bundessprecher GUG