Interview mit Markus Koza, zur Bestellung Hundstorfer zum ÖGB-Präsidenten!

 

DER STANDARD

 

 

06. April 2006 

 

Einserfrage: Was haben Sie gegen Hundstorfer?
Es antwortet: Markus Koza von den Unabhängigen GewerkschafterInnen, die im ÖGB-Vorstand gegen den neuen Präsidenten gestimmt haben

 

Das Gespräch führte Rainer Schüller

 

 

Markus Koza ist Ökonom, Bundessekretär der AUGE/UG und Vertreter der Unabhängigen GewerkschafterInnen (UG) im ÖGB-Bundesvorstand.

 

derStandard.at: Die Unabhängigen Gewerkschafter im ÖGB haben im Vorstand gegen Rudolf Hundstorfer als neuen Präsidenten gestimmt. Was haben Sie gegen ihn?

 

Koza: Ein zentraler Punkt ist für uns immer die Unvereinbarkeit gewesen. Wir halten es für unvereinvereinbar, dass ein Gewerkschaftspräsident gleichzeitig Mandatar einer Partei ist, weil dadurch massive Interessenskonflikte entstehen.

 

derStandard.at: Da ist Hundstorfer aber nicht der erste.

 

Koza: Das stimmt, aber wir haben das immer schon kritisiert und sind immer für eine strikte Trennung von Parteipolitik und Gewerkschaft eingetreten. Gerade beim Herrn Hundstorfer waren problematische Interessenskonflikte immer wieder gegeben, wo er zum Beispiel als Chef der Gemeinde- Bedienstetengewerkschaft die Beschlüsse seiner Gewerkschaft gegen Ausgliederungen tragen hätte müssen, als SPÖ-Mandatar dann allerdings dafür gestimmt hat.

 

derStandard.at: Das war der einzige Punkt, der Sie störte?

 

Koza: Das war der Zentralste, aber nicht der Einzige. Ich glaube auch nicht, dass der Bundesvorstand dafür zuständig ist, einen Gewerkschaftspräsidenten zu wählen, sondern der Bundeskongress.

Wir kritisieren diese ganze Vorgangsweise im Vorfeld, wo uns die Mehrheit der Fraktion sozialistischer Gewerkschafter (FSG) mit Unterstützung der Christgewerkschafter (FCG) mitgeteilt hat, dass dieser Beschluss gefällt worden ist und dass der Bundeskongress einfach abgesagt wurde. Das ist für uns inakzeptabel.

 

derStandard.at: Halten Sie Hundstorfer für einen Kompromisskandidaten zwischen Rot und Schwarz?

 

Koza: Ich glaube eher, er ist ein Kompromisskandidat zwischen den rivalisierenden Einzelgewerkschaften.

Nachdem die Überparteilichkeit im ÖGB im weiten Sinne in Form einer rot-schwarzen Zusammenarbeit interpretiert wird, war es den sozialistischen Gewerkschaftern auch wichtig, dass die christlich-sozialen die Entscheidung mittragen. Und ich glaube, die FCG kann mit Hundstorfer sehr gut leben.

 

derStandard.at: Ist Hundstorfer ein Reformer?

Koza: Von seinen Ankündigungen her - stärkere Vertretung von atypisch Beschäftigen, stärkere Positionierung von Frauen halte ich seine Positionen für sehr gut und brauchbar. Uns als UG wäre auch eine stärkere Vertretung von MigrantInnen ein besonderes Anliegen ist. Ob er tatsächlich ein Reformer ist, kann ich im Augenblick nicht ausreichend beurteiln, weil sich die Stimmungslage im ÖGB von Tag zu Tag ändert. Ich bin nicht besonders optimistisch, will aber auch nicht zu sehr schwarz malen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

 

derStandard.at: Hand auf's Herz: Hätten Sie sich einen anderen ÖGB-Chef gewünscht?

 

Koza: Meine Wunschvorstellung wäre eine ÖGB-Chefin. Roswitha Bachner wäre eine interessante Kandidatin.

 

derStandard.at: Glauben Sie, dass 2007 eine Frau an die ÖGB-Spitze kommt?

 

Koza: Da bin ich äußerst skeptisch. Das würde mich bei den gewerkschaftlichen Realitäten äußerst wundern. Außer, der ÖGB ist bis dahin so sehr entmachtet, dass es kein Mann mehr macht. Aber für diese Alibifunktion würde sich dann wohl auch keine Frau finden. Hoffe ich zumindest.

 

derStandard.at: Sie sind gegen einen gänzlichen Verkauf der Bawag. Warum?

 

Koza: Ich hätte immer noch die Hoffnung, dass es eine Neuorientierung der Bawag als Gewerkschaftsbank geben könnte. Es hat außerdem keine Diskussion in der Gewerkschaft darüber gegeben, was mit der Bank passieren soll. Der ÖGB ist durch parteipolitischen Druck überrollt worden und hat schnelle Entscheidungen getroffen, mit denen ich nicht glücklich bin.

 

derStandard.at: Wieviel von der Bawag sollte der ÖGB behalten?

 

Koza: Die Formel 25 Prozent plus eine Stimme wäre ein gangbarer Weg.

 

derStandard.at: Neben der Bank hat die Gewerkschaft auch Probleme mit Austritten.

Präsident Hundstorfer hat im STANDARD-Interview von ein paar Tausend in der vergangenen Woche gesprochen. Wie ist die Situation bei den Unabhängigen?

 

Koza: Bei uns sind mir keine Austritte bekannt. Wir sind eher mit sehr viel Protest konfrontiert. Die Unabhängigen haben aber auch den Anspruch den ÖGB von innen her zu reformieren. Wir können nur dazu aufrufen, nicht auszutreten. Die Gewerkschaft ist einfach zu wichtig, um sie den Roten und den Schwarzen zu überlassen.

 

derStandard.at: Warum sollte eine atypisch Beschäftigte Gewerkschaftsmitglied werden?

 

Koza: Das ist eine gute Frage. Im Augenblick sind da die Angebote von Seiten der Gewerkschaft mit einigen Ausnahmen sehr begrenzt. Es geht jetzt darum, eine neue Gewerkschaftskultur zu entwickeln. Es bräuchte offene Strukturen, die nicht von Parteien vereinnahmt werden. Wenn das nicht passiert, dann stehen wir in Zukunft ohnehin schlecht da.

 

derStandard.at: Momentan ist diese Öffnung nicht zu erkennen, was auch keine steigenden Mitgliederzahlen erwarten lässt. Ist die Gewerkschaft am Hund?

 

Koza: Nein, Sie ist eher am Hundstorfer.

 

derStandard.at: Sie wissen nicht zufällig, wieviel Geld im Streikfonds liegt?

 

Koza: Tut mir leid, da hab ich keine Ahnung. Dieses Geheimnis wird tatsächlich strengstens gehütet.

 

derStandard.at: Kann sich der ÖGB noch einen Streik leisten?

 

Koza: Das nehme ich doch wohl sehr stark an, nachdem in den letzten Jahrzehnten so wenig gestreikt wurde.

 

derStandard.at: Wer wird bei der kommenden Nationalratswahl für die ganze Bawag-ÖGB-Affäre abgestraft werden?

 

Koza: Das Gedächtnis der Bevölkerung ist kurz. Es kommt darauf an, wie lange das Thema am Köcheln gehalten wird. Ich bin mir nicht sicher, ob die ÖVP wirklich ein Interesse daran hat, permanent das Bawag-Thema zu fahren, weil sie ja immer behaupten, sie wollen den Bank-Platz Österreich nicht gefährden. Dass es der SPÖ nicht gut tut, ist klar. Ich nehme an, dass auch die Grünen nicht besonders davon profitieren. Am ehesten könnte noch Hans-Peter Martin, sollte er antreten, rote Protestwähler auffangen.