Offener Brief an Bundeskanzler Dr. Schüssel

 

In wenigen Tagen ist es also so weit. Der Souverän ist am Wort.
Wir EisenbahnerInnen sind Teil dieses Souveräns. Und für diesen Teil gilt: Sie sind nicht wählbar, da Sie Vertreter jener Bundesregierung sind, welche sich an uns EisenbahnerInnen in schlimmster Form vergangen hat. Sie und ihre Koalitionsregierung haben uns gegenüber ein Verhalten an den Tag gelegt, welches in der 2. Republik keinen Vergleich finden wird. Über Jahrzehnte wurden wir von Ihrer Partei in der Öffentlichkeit beschimpft, als privilegierter Haufen von Tachinierern - der nur darauf wartet sich in die Pension zu verabschieden - dargestellt.
Fakten, die ein gänzlich anderes Bild darstellen würden, wurden von Ihnen geflissentlich ignoriert. Nicht unsere angebliche Unproduktivität war Ihnen ein Dorn im Auge, nein, es galt die „Rote Bahn“ politisch umzufärben. Nach dem Motto: „rot raus – schwarz, blau, orange rein.

Sie haben aber auch zugelassen, nein, Sie haben es sogar betrieben, dass in Österreich für eine bestimmte Berufsgruppe, nämlich uns EisenbahnerInnen, Verträge ganz einfach außer Kraft gesetzt werden können. Diese Vorgangsweise hatte und hat massive Auswirkungen auf die Beschäftigten und ihre Familien.
Aber damit nicht genug. Durch die so genannten „Pensionsreformen“ stehlen Sie uns EisenbahnerInnen bis zu 11 (in Worten: elf!) Lebensjahre. Falls Sie nicht wissen sollten, wie dies zu verstehen sei, hier eine kurze Erläuterung.
Unsere – unbestritten – niedrigen Gehälter wurden immer damit gerechtfertigt, dass wir im Gegenzug früher in den Ruhestand treten können. Als 1994, unter Ihrer Mitwirkung, der Pensionssicherungsbeitrag eingeführt wurde, ist dies wieder mit dem früheren Pensionsantritt begründet worden. Und heute? Es wird Sie wahrscheinlich als „Vertreter des kleinen Mannes“ (Ihre Aussage vom 21. September 06 bei der TV-Konfrontation auf ORF 2) mit Genugtuung erfüllen, dass wir „kleinen“ EisenbahnerInnen länger arbeiten, dafür niedrige Einkommen bezogen haben und auch noch einen Pensionssicherungsbeitrag leisten dürfen. So stellt sich also ein Bundeskanzler die Vertretung vor!

Nein, für uns EisenbahnerInnen sind Sie und Ihre Partei nicht wählbar. Ein Repräsentant einer christlich-sozialen Partei, der publikumswirksam nach Mariazell pilgert, aber den sozialen Aspekt seines Parteiprogramms außer Acht lässt und Rechte von Beschäftigten dermaßen mit Füßen tritt, muss auf die Stimmen der Getretenen verzichten. Denn nur „die dümmsten Kälber wählen Ihren Schlächter selber“.

Hedenig Anton
Bundessprecher
Grüne und Unabhängige EisenbahnerInnen