Gegen die Ausweitung der polizeilichen Überwachung auf Handys, Internet und ihre User

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Verzeihen Sie diese "Massenaussendung", aber auch Ihnen wird wahrscheinlich schon die fast überfallsartige parlamentarische Beschlussfassung des neuen Sicherheitspolizeitgesetz zu Ohren gekommen sein. Dieses Gesetz ermöglicht es, dass die Polizei ohne richterlichen Befehl Standortdaten von Mobiltelefonen abfragen, IMSI-Catcher einsetzen und Netzbetreiber zur Auskunft über dynamische IP-Adressen zwingen kann.

Dazu haben wir vier (als Initiatoren - TU Kollegen Univ.Prof. Futschek und Univ.Prof. Tjoa sowie Fr. Dr. Barbara Helige, Präs. der Österr. Richtervereinigung) die sich unter www.ueberwachungsstaat.at befindliche Petition gestartet, die - via eines Mitgliedes des Nationalrates - eine nochmalige parlamentarische Behandlung und die Zuweisung an den Innenausschuss des Parlaments verlangt. Eingebracht wird sie gem. Geschäftsordnung durch den NRAbg. Dr. Peter Pilz, die Grünen.

Die Petition wurde am 17.12.2007 mit einer Pressekonferenz der Initiatoren und des "Einbringers" gestartet. Die Unterstüzung erfolgt in Form einer Eintragung in eine Liste via Web. Die Eintragung geht bis Ende Jänner, die Kampagne läuft über das Netz. Bis jetzt haben über 18.000 Personen unterschrieben, Ziel ist es möglichst viele "Unterschriften" zu bekommen, um hier eine wirkliche Gegenstimme darzustellen.

Ich (oder besser die Initiatoren) ersuche Sie nun um Ihre Unterstützung, indem Sie diese Petition in Ihrem Umfeld zirkulieren lassen.

Und ich hoffe, dass Sie alle (oder möglichst viele) die Seite www.ueberwachungsstaat.at aufrufen und sich dort eintragen (falls dies noch nicht geschehen ist).

Mit freundlichen Grüssen
Univ. Prof. Dr. Hannes Werthner, TU Wien

 

 

 

Gegen die Ausweitung der polizeilichen Überwachung auf Handys, Internet und ihre User

 

Parlamentarische Petition zur Behandlung des  Sicherheitspolizeigesetzes im Innenausschuss des Nationalrats

Text der Petition (auch auf angegebener Webseite)

 

 

Immer umfassender wollen uns Polizei und Nachrichtendienste kontrollieren: durch Maßnahmen wie Lauschangriff, Rasterfahndung, Trojaner, Bildungsevidenz, Videoüberwachung, Fingerabdrücke, Genmusterabdrücke, Vorratsdatenspeicherung und IMSI-Catcher. Österreich zeigt hierdurch immer mehr Merkmale eines Überwachungsstaates. Wir sind der Überzeugung, dass nicht alles für den Staat zulässig sein soll, was technisch möglich ist.

Verfassung, Justiz und Polizei haben eine gemeinsame Aufgabe: uns und unsere Freiheit zu schützen. Immer öfter wird aus dem Schutz Bedrohung. Immer öfter zeigt sich, dass eine schrankenlose Überwachung

• nicht mehr Sicherheit schafft

• unsere Freiheit und unsere Privatsphäre gefährdet

• Millionen Euro verschwendet.

Wenn einseitige Sicherheitspolitik die Freiheit gefährdet, ist es Zeit, die Freiheit vor der Sicherheitspolitik zu schützen.

Der 6. Dezember

Um die Mitternachtszeit des 6. Dezember 2007 hat der Nationalrat die Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz beschlossen. Damit sind an einem Abend drei Kontrollen ausgeschaltet worden:

• die Kontrolle der Richter

• die Kontrolle der Provider

• die Kontrolle des Parlaments.

Zum ersten Mal darf die Polizei ohne richterlichen Befehl

• Standortdaten von Mobiltelefonen abfragen

• IMSI-Catcher einsetzen

• Netzbetreiber zur Auskunft über dynamische IP-Adressen zwingen.

Seit dem März 2007 hat der Innenausschuss nicht getagt. Während des Nationalratsplenums wurde das Recht zum polizeilichen Zugriff auf die IP-Adressen als Abänderungsantrag eingebracht – ohne Ausschuss, ohne Begutachtung. Nicht einmal das Justizministerium noch Datenschutzkommission oder Verfassungsdienst konnten dazu Stellung nehmen. Die parlamentarische Kontrolle wurde ausgeschaltet.

„Vermisste suchen"

Die Rechtfertigung – Aufspüren vermisster oder entführter Personen – hält einer sachlichen Überprüfung nicht stand. Die Peilung von nicht auffindbaren Personen ist bereits nach der bisher geltenden Rechtslage über „stille SMS" möglich.

Ohne Richter

IMSI-Catcher sind Geräte, mit denen die auf der Mobilfunk-Karte eines Mobiltelefons gespeicherte International Mobile Subscriber Identity (IMSI) ausgelesen werden kann. Der Einsatz von IMSI-Catchern setzt eine erfolgreiche Peilung eines Handys voraus, da der IMSI-Catcher in der Nähe des Handys eine Funkzelle vortäuscht und damit Gesprächsdaten „absaugt". Wer mit IMSI-Catchern abhört, umgeht den Provider. Damit fällt die erste Kontrolle.

Mit dem neuen Gesetz dürfen IMSI-Catcher ohne richterlichen Befehl eingesetzt werden. Damit fällt die zweite Kontrolle.

Die Gesprächsüberwachung ohne richterlichen Befehl ist zwar nach wie vor illegal. Aber sie kann nicht mehr kontrolliert werden. Dem Missbrauch ist Tür und Tor geöffnet.

Polizei im Internet

Die Datenschutzkommission hat festgestellt, dass es keine gesetzliche Grundlage für den polizeilichen Zugriff auf die IP-Adressen gibt, weil es sich hier nicht um Stammdaten, sondern um Verkehrsdaten handelt. Statt einer seriösen Klärung stellt das neue Gesetz der Polizei eine Generalermächtigung zur Abfrage der IP-Adressen aus – ohne richterliche Kontrolle und ohne Verpflichtung, die Maßnahme zu begründen.

Rechtsschutzbeauftragte statt Richter

Der Innenminister ernennt seinen Rechtsschutzbeauftragten, der den Richter als Kontrolle ersetzen soll. Dazu ist der Rechtsschutzbeauftragte im Gegensatz zu den Richtern aber aus drei Gründen nicht in der Lage: Er hat ein bloßes Informationsrecht. Er kann keinen Einspruch gegen Maßnahmen erheben. Und er kann keine Sanktionen bei Verdacht auf Missbrauch der polizeilichen Befugnisse erwirken. Der Minister ersetzt wirksame richterliche Kontrolle durch einen zahnlosen Beauftragten.

Drei Fragen

Wir stellen drei Fragen:

1. Wozu sollen für die Ortung von Handys ungeeignete IMSI-Catcher ohne richterliche Kontrolle eingesetzt werden?

2. Warum soll die Polizei ohne richterliche Kontrolle das Recht auf Zugriff auf Daten von Internet-Usern erhalten?

3. Warum wurden diese polizeilichen Vollmachten ohne Behandlung im Innenausschuss – und im Falle der IP-Adressen ohne Begutachtungsverfahren – als Gesetz beschlossen?

Der Nationalrat hat das Gesetz beschlossen. Der Nationalrat soll die Fragen beantworten.

UNSER ZIEL: ZURÜCK IN DEN INNENAUSSCHUSS

Der parlamentarische Beschluss zur Ausweitung der polizeilichen Überwachung auf Handys und Internet wurde ohne Anhörung des Innenausschusses gefasst. Der polizeiliche Zugriff auf die IP-Adressen wurde während der Plenarsitzung von Abgeordneten als Abänderungsantrag eingebracht.

Wir können und wollen die de-facto Ausschaltung der Volksvertretung in dieser wichtigen Sache nicht hinnehmen. Daher richten wir unsere Petition an den Nationalrat:

Wir wollen, dass sich der Innenausschuss des Nationalrats ernsthaft mit der Überwachung von Handys und Internet befasst.

Wir wollen, dass in Zukunft keine Gesetze, die persönliche Freiheiten einschränken, ohne

o Begutachtung,

o vorherige Behandlung im Ausschuss

o und eine breite öffentliche Diskussion

beschlossen werden.

Weiters wollen wir, dass alle gesetzlichen und behördlichen Ermächtigungen zur Überwachung ohne ausreichende Abwägung der Verhältnismäßigkeit und ohne genügende Kontrolle durch Richter zurückgenommen werden.

Wir erwarten vom österreichischen Nationalrat Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit den Grundrechten der Menschen und der Verfassung der Republik.