Auch Finanzvorstand Söllinger geht
Der Aufsichtsrat hat zwar "keine
aktienrechtlichen Verfehlungen" festgestellt, trotzdem verlassen Martin Huber,
Gustav Poschalko und Erich Söllinger das Unternehmen
Nach der fast sechsstündiger Aufsichtsratssitzung der ÖBB-Holding am Dienstag
ist fix: Nicht nur ÖBB-Chef Martin Huber musste zurücktreten, auch
Finanzvorstand Erich Söllinger wird Ende Oktober ausscheiden. Auch
Holding-Vorstand Gustav Poschalko soll im Herbst gehen. Neuer ÖBB-Chef wird
Peter Klugar, der auf eine langjährige ÖBB-Karriere zurückblickt. Festgestellt
wurde in der Sitzung, dass sich weder Huber noch Söllinger aktienrechtliche
Verfehlungen geleistet hätten.
Wie schon Huber begründete auch Söllinger seinen Rücktritt damit, dass seine
Vorstellungen zur weiteren Umsetzung des Restrukturierungsprozesses "nicht mehr
mit der aktuellen Linie des Aufsichtsrats in Einklang zu bringen" seien.
Am Schluss wurde der Druck für ÖBB-Holding-Finanzchef Erich Söllinger doch zu
groß: Wie sein Vorstandskollege Martin Huber bot der im Mai 2003 engagierte
ehemalige ABB-Controller seinen Rücktritt an. Anders als Huber, der am Dienstag
seinen letzten Arbeitstag in den Twin-Towers am Wienerberg absolvierte, wird
Söllinger jedoch für einen geordneten Übergang sorgen und erst mit 31. Oktober
2008 weg sein. Danach, heißt es in ÖBB-Kreisen, könnte der Finanzchef der
Personenverkehr-Tochter-AG, Josef Halbmayr, an seiner statt in den
Holding-Vorstand nachrücken.
Die Nachricht vom vorzeitigen Ausstieg Söllingers ließ ÖBB-
Holding-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker während der gut sechs Stunden
dauernden Sitzung des Kontrollgremiums via Aussendung am Dienstag verbreiten.
Weiters war zu lesen: "Zu den Finanzgeschäften der ÖBB und einem privaten
Immobiliengeschäft am Schillerplatz in Wien (...) konnte eine aktienrechtliche
Verfehlung der Holdingvorstände Huber und Söllinger nicht festgestellt werden."
Beide begründeten ihren vorzeitigen Abgang "mit den öffentlichen Diskussionen
der letzten Monate rund um die ÖBB und das Management", die "ihre Arbeit für das
Unternehmen schwer belastet" hätten, sowie damit, "dass ihre Vorstellungen zur
weiteren Umsetzung des Restrukturierungsprozesses nicht mit der aktuellen Linie
des Aufsichtsrates in Einklang zu bringen sind", hieß es am Dienstagnachmittag
weiter.
Was der Aufsichtsratspräsident nicht mitteilte: wie hoch die Abfindungen der
beiden der ÖVP zurechenbaren Manager ausfallen. Da Söllingers Vertrag nur mehr
bis April 2009 gelaufen wäre, bekommt er deutlich weniger als Huber, dessen
Mandat an sich bis Oktober 2009 abgeschlossen worden war. Kolportiert wurden für
Huber Beträge zwischen 500.000 Euro und 1,2 Millionen Euro - er soll ja noch als
"Konsulent für Strukturfragen" in der Staatsbahn bis Ende Oktober 2009 werken.
Huber war wegen privater Immobiliengeschäfte unter Druck geraten, ebenso wegen
umstrittener Finanzdeals - zu den Details siehe die beiden Artikel "Vorwürfe I"
und "Vorwürfe II" unten auf dieser Seite. Für die Finanzdeals muss nun auch
Söllinger die Verantwortung übernehmen.
Spätestens im Herbst wird auch der für Personen- und Güterverkehr zuständige
Holding-Vorstand Gustav Poschalko zurücktreten (er ist der SPÖ zuzurechnen). In
der Presseerklärung wurde er am Nachmittag zunächst nicht erwähnt. Poschalko
dürfte aber, ließ Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker wissen, ab Septmber
ebenfalls Konsulent werden.
Der Vierervorstand der ÖBB dürfte dann zu einem Zweiergespann werden -
vermutlich mit Halbmayr und dem SP-nahen langjährigen ÖBBler Peter Klugar als
Vorstandssprecher.
Huber (48) war dreieinhalb Jahre an der Spitze der ÖBB. Er gilt als Netzwerker -
er war nicht selten bei Events mit hohem TV-Kameraaufkommen zu sehen, stets in
Gegenwart anderer - ihm gut bekannter Managerkollegen aus dem staatsnahen
Bereich sowie von Politikern aller Coleurs.
Nicht zuletzt deswegen soll er, so hört man, einen neuen Job als Generaldirektor
in einem Großunternehmen bereits gesichert haben. Wo er gelandet ist, ist noch
nicht öffentlich. Es darf angenommen werden, dass es die Bauwirtschaft oder die
Immobilienentwicklung sein wird. Diese Bereiche seien ihm auch am wichtigsten in
der ÖBB gewesen, sagte er selbst einmal. Der studierte Betriebswirt Huber war
vor seinem ÖBB-Job 15 Jahre beim Baukonzern Porr tätig, zuletzt als Mitglied des
Vorstandes neben Pöchhacker, der nun als ÖBB-Aufsichtsratspräsident Hubers
Demontage betrieben hat. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe,
23.4.2008)