Der Standard "Wir sind dabei, das System zu überarbeiten"

Künftig sollen Einzelpersonen für ihre Fehler geradestehen müssen. Warum das aktuell nicht der Fall ist, sagt AR-Präsident Horst Pöchhacker im STANDARD-Interview
Künftig sollen in den ÖBB Einzelpersonen für ihre Fehler geradestehen müssen. Warum das aktuell nicht der Fall ist, sagt Aufsichtsratspräsident
(Horst Pöchhacker im Gespräch mit Claudia Ruff)

Anm. der UG-Vida

Immer wieder, auch in diesem Interview, wird von führenden Personen unseres Unternhemens darauf hingewiesen, dass Verträge einzuhalten sind. Horst Pöchhacker führt als Punkt an "...und man hält sich an Verträge. Sonst verunsichert man alle andere Führungskräfte im Unternehmen oder jene, die man noch engagieren will".
Wir stellen daher dem Präsidenten des Aufsichtsrates folgende Fragen: Warum gilt das Einhalten von Verträgen nur für die sogenannten Spitzenmanager, nicht aber für zehntausende EisenbahnerInnen? Ist deren Engagement so unwichtig, dass man darauf verzichten kann? Zeugt es von besonderer Ehrlichkeit, wenn die Unternehmensleitung bei jeder sich bietenden Gelegenheit erklärt, wie wichtig unsere Arbeit ist? Und noch eine Frage: Gibt es Gleiche unter Gleichere?
Über eine zufriedenstellende Antwort würden wir uns freuen - erwarten tun wir sie aber nicht!

STANDARD: Die bisher geheimen Gutachten zu den Spekulationsgeschäften der ÖBB gehen von einem möglichen Verlust von 613 Millionen Euro aus. Ein vorzeitiger Ausstieg würde 275 Millionen kosten. Der Deal wurde vor Ihrer Zeit als Aufsichtsratschef abgeschlossen. Was werden Sie nun tun?
Pöchhacker: Grundsätzlich beschäftigt sich der Aufsichtsrat und das Management nicht nur mit der Aufarbeitung solcher Probleme aus der Vergangenheit. Viel wichtiger ist es, Schaden vom Unternehmen abzuwehren und weiter die Weichen für die Zukunft zu stellen. Aber konkret zu Ihrer Frage: Die Gutachten sollten noch immer vertraulich sein. Wo die undichten Stellen in der ÖBB sind, wird zur Zeit geprüft.
Es ist ganz wesentlich festzustellen, dass das Risiko über 613 Mio. Euro bereits im Wirtschaftsprüferbericht 2006 explizit nachzulesen ist und daher allen verantwortlichen Organen bekannt war. Wir prüfen die weitere Behandlung dieser spekulativen Finanzierungen mit den wenigen kompetenten Fachleuten am Markt. Wie wir uns weiter verhalten, werden wir derzeit weder der Öffentlichkeit noch dem Markt mitteilen.
STANDARD: Wie weit ist der von Ihnen mit der Aufarbeitung der Spekulationgeschäfte beauftragte Anwalt Ewald Weninger mit seiner Expertise? Wird er rechtliche Schritte gegen die Deutsche Bank einleiten?
Pöchhacker: Die Zwischenergebnisse der Recherchen von Dr. Weninger wird er in den nächsten Wochen den zuständigen Gremien unterbreiten. Diese werden dann über die weitere Vorgangsweise entscheiden.
STANDARD: Warum wurden Ex-ÖBB-Chef Martin Huber und der derzeitige Finanzchef Erich Söllinger nicht für die Transaktion zu Verantwortung gezogen? Und: Haben beide die Gremien richtig informiert?
Pöchhacker: Die Gutachten haben u. a. ergeben, dass der organisatorische Ablauf zwischen Satzungen, Geschäftsordnungen, Richtlinien und dem Aktiengesetz zum Teil widersprüchlich ist und manche Lücken aufweist.
Für eine solche Situation ist es typisch, dass eine Zuordnung der Verantwortung auf Einzelpersonen nicht möglich ist. Wir sind daher dabei, dieses System zu überarbeiten, damit in Zukunft eine eindeutige Zuordnung der Verantwortung möglich sein wird. Die Informationen des Holding-Vorstandes gegenüber den Gremien muss man auch in diesem Lichte sehen.
STANDARD: Gabriela Moser von den Grünen wirft Ihnen vor, Huber eine hohe Abfindung zu zahlen, statt ihm und Söllinger für die riskanten Deals die Entlastung zu verwehren. Was entgegen Sie ihr?
Pöchhacker: Frau Moser argumentiert wie viele andere Kritiker der ÖBB: Wenn ein Manager nichts angestellt hat, soll er bleiben, wenn er einen Fehler gemacht hat, muss er sofort gehen und es darf nichts mehr bezahlt werden.
In der Wirtschaft löst man Manager auch ab, wenn bei einem Strategiewechsel andere besser geeignet zu sein scheinen, und man hält sich an Verträge. Sonst verunsichert man alle andere Führungskräfte im Unternehmen oder jene, die man noch engagieren will. Einvernehmliche Lösungen sind daher per saldo sinnvoll und stellen immer einen Kompromiss dar. Das heißt, die Forderungen des scheidenden Managers werden nur zum Teil erfüllt.
STANDARD: Stimmt es, dass Söllinger bis Jahresende im Amt bleibt?
Pöchhacker: Herr Söllinger ist bis 31. Oktober als Vorstand bestellt. Am Montag werden zahlreiche Bewerbungen für einen Nachfolger von Herrn Söllinger vorliegen. Wann der noch nicht gekürte Nachfolger zur Verfügung steht, ist zur Zeit nicht bekannt. Die beste Frau oder der beste Mann werden durch die zuständigen Gremien ausgewählt werden.
STANDARD: Ausständig sind noch die neuen Chefs für Postbus, Personenverkehr und die Immobilien. Wann fallen die Entscheidung und wie viele haben sich beworben?
Pöchhacker: Alle Bewerbungen sind mengenmäßig und qualitativ ausreichend. Die Entscheidungen über die Personen fallen demnächst in den zuständigen Aufsichtsratsgremien.
STANDARD: Stimmt es, dass der Personalberater Egon Zehnder mit der Suche beauftragt wurde?
Pöchhacker: Es gab bei den bisherigen Ausschreibungen keinen Headhunter_ weil ausreichende Bewerbungen nach den Ausschreibungen vorlagen. Zehnder erstellt lediglich die Vorbewertung der Bewerbungen als Grundlage für die jeweils zuständigen Aufsichtsräte.
STANDARD: Warum wird ÖBB-Chef Peter Klugar nicht wie sein Vorgänger Huber Aufsichtsratschef bei den Töchtern Betrieb und Bau?
Pöchhacker: Das hängt mit den früheren Strukturen zusammen: Während ich als ein Aufsichtsrat der Holding Vorsitzender der beiden Absatz-Aufsichtsräte (Personenverkehr und Rail Cargo, Anm.) bin, war Huber als Vorstand der Holding dies bei Betrieb und Bau. Wir stellen nur die notwendige Symmetrie her, wenn mein Stellvertreter im Aufsichtsrat, Eduard Saxinger, diese Position nach Huber übernimmt. Der Vorstand der ÖBB-Holding ist als normaler Aufsichtsrat in allen Tochterfirmen vertreten. Die angedachte Lösung bei Betrieb und Bau stellt daher keine Diskriminierung von Herrn Klugar dar.
STANDARD: Was lief falsch an der alten Bahn unter Huber?
Pöchhacker: Die Vergangenheit, also die Zeit zwischen 2000 und 2007, war geprägt von Personal- und Strukturanpassungen und dem Streit mit der Eisenbahnergewerkschaft, um deren Einfluss zurückzudrängen. Um diese Ziele zu erreichen, wurde die Holding gestärkt.
Gleichzeitig konzentrierte man sich auf die Bau AG als Rechtsnachfolgerin der alten Bahn, nicht zuletzt, weil dort das gewaltige Anlagevermögen der Bahn steckt. Und man konzentrierte sich überproportional auf die Immobilien. Allerdings wurden die Absatzgesellschaften vernachlässigt. Das Gleichgewicht zwischen Produktion und Marketing war nicht mehr gegeben. Diese Zeit war natürlich auch von den Spekulationsgeschäften schwer belastet. Dadurch war das Holding-Management zum Teil blockiert.
STANDARD: Was soll jetzt unter Klugar besser werden?
Pöchhacker: Unser Ziel ist jetzt die Stärkung des Personenverkehrs und der Cargo, da der Markt im In- und Ausland viele Chancen bietet, siehe hoher Ölpreis und der CO2 Diskussion. Zudem wollen wir das Auslandsgeschäft weiter ausbauen. Das alles wird nun wie im Gesetz vorgesehen von einer strategischen Management-Holding koordiniert. Und wir arbeiten gemeinsam mit der Asfinag an einem Langzeitfinanzierungsplan, aus dem hervorgeht, dass nach Abflauen des aktuellen Investitionsbooms eine nachhaltige Entschuldung beginnt.
Begleitet werden die Maßnahmen von einem rigiden Kostenmanagement. 2008 und 2009 werden die Ergebnisse positiv, wenn gleich noch bescheiden ausfallen. Ab 2010 wird sich das Ergebnis durch die eingeleiteten Maßnahmen erheblich verbessern.

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.6.2008)