ÖBB wird von Lehman Brothers ausgebremst

Die Finanzkrise fährt ein zweites Mal in den ÖBB- Bahnhof ein. Nach den Buchverluste pro­du­zie­renden Spekulations­ge­schäften droht aus der Pleite von Lehman Brothers ein Millionenverlust

Wien - Die Österreichische Bundesbahn ist nicht eben vom Glück verfolgt: Nach dem Debakel mit den bis dato nur (Buch-)Verluste produzierenden Spekulationsgeschäften im Volumen von 612,9 Millionen Euro fährt nun die Lehman-Pleite voll ein: In den an der Nulllinie herumkurvenden Postbus könnte die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im schlechtesten Fall eine rote Spur von 9,3 Millionen Dollar (6,3 Mio. Euro) ziehen. Der Verlust könnte aus - im Rahmen von mit japanischen Partnern durchgeführtem Cross-Border-Leasing auf Postbusse - Wertpapieren drohen, die von Lehman Brothers emittiert wurden und nun wackelig beziehungsweise wertlos wurden.

In der Bahn bestreitet man die Involvierung in die Finanzkrise gar nicht, Details zu den insgesamt 17 zwischen 1995 und 2005 durchgeführten Cross-Border-Leasings (CBL) nannte man unter Hinweis auf die auf hunderten Vertragsseiten fixierte Verschwiegenheitspflicht nicht. Von den 17 CBL entfielen laut Standard-Recherchen drei auf den damals noch bei der Verstaatlichtenholding ÖIAG angesiedelten Postbus.

Dass bei der hochverschuldeten Staatsbahn über die - seinerzeit unter Postbus-Chefin Wilhelmine Goldmann und ÖIAG-Vorstandsdirektor Peter Michaelis abgeschlossenen - CBLs hinaus weitere "Leichen" aufschwimmen könnten, wie ÖBB-Aufsichtsratsmitglieder befürchten, schließt man "nach derzeitigem Stand der Dinge" aus. Denn aus den (Buch-)Verluste und Millionenrückstellungen produzierenden Spekulationsgeschäften (CDOs, Collateralized Debt Obligations) habe man Lehman Brothers "unmittelbar vor der Lehman-Pleite hinausgetraded", wie ein ÖBB-Sprecher - hörbar erleichtert - sagt.

Die finanziellen Vorteile der CBLs sind derzeit im Übrigen alles andere denn überschaubar. Im Gegenteil. Neben der Lehman-Pleite verursacht auch American International Group (AIG) Nervosität, fungiert der zweitgrößte Versicherungskonzern der Welt bei mindestens einem der insgesamt drei Postbus-CBLs doch als Tilgungsgeber.

Geld nicht in Gefahr

Man fürchtet um Leasingraten für die nächsten 25 Jahre in Höhe von mindestens 80 Millionen Dollar für Wagenmaterial. Bei diesen Transaktionen diente AIG als Depotbank für die Leasingraten. Das Geld selbst sollte bei den ÖBB ebenso wenig in Gefahr sein wie bei den CBLs der Innsbrucker Kommunalbetriebe, weil das Geld im Normalfall in konkurssicheren Zweckgesellschaften gebunkert ist, die im Fall eines Bankrotts nicht in die Konkursmasse fallen. Allerdings werden Kosten in Millionenhöhe anfallen, weil die Depots zu anderen Geldhäusern umgeschichtet werden müssen.

Probleme wie diese werden in den nächsten ÖBB-Aufsichtsratssitzungen für Diskussionen sorgen. Den Anfang machen am 2. Oktober Postbus, Traktion GmbH und Technische Services. Am spannendsten wird wohl die Postbus-Sitzung, in der soll die Bestellung des zweiten Postbus-Geschäftsführers fallen. Die besten Chancen, dem in die Strategie-Abteilung der ÖBB-Holding aufrückenden Andreas Fuchs zu folgen und im Postbus neben Christian Eder Platz zu nehmen, werden Thomas Auböck (Post AG) und Christian Moser (Fachverband der Autobusunternehmen) nachgesagt. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Printausgabe, 24.9.2008)