Postenschacher im Interregnum
In den ÖBB sind im Wahlkampf zahlreiche Managementposten zu besetzen - Wie das Tauziehen zwischen den Koalitionspartnern ausgeht, ist höchst ungewiss!
Der Standard
Wien – Am Donnerstag, unternimmt der
Aufsichtsrat der ÖBB-Infrastruktur Bau AG einen weiteren Anlauf in Richtung
Besetzung dreier zu Jahresende auslaufender Vorstandsmandate. Zur Disposition
stehen die bereits im März ausgeschriebenen Posten der Vorstandsdirektoren
Georg-Michael Vavrowsky (Infrastrukturerrichtung) und Gilbert Trattner (Finanzen
und Immobilien). Über sie soll in einer eilig einberufenen außerordentlichen
Sitzung beraten werden und zumindest eine Vorentscheidung über die weitere
Vorgangsweise getroffen werden.
Wie das beinahe endlose Tauziehen zwischen den Koalitionspartnern und derer
Abgesandten in diversen ÖBB-Kontrollorganen ausgeht, ist höchst ungewiss. Denn
angesichts des ausgebrochenen Wahlkampfs geht es beiden Seiten darum, noch vor
der Nationalratswahl Pflöcke einzuschlagen – und sich entsprechenden Einfluss zu
sichern. So kommt es, dass nicht einmal mehr die Vertragsverlängerung für
Vavrovsky als unumstößlich gilt. Im Gegenteil: Unter Verweis auf zahlreiche
massive Kostenüberschreitungen bei milliardenschweren Bahnausbauprojekten sei es
nicht mehr ehernes Gesetz, dass der von der Baulobby gestützte Fachmann ein
sicheres Ticket hat.
Beanspruche die ÖVP nämlich weiterhin den Bau-Finanzchef für sich, werde man die
rote Karte ziehen, heißt es in Eigentümerkreisen. Zusammen mit den
Belegschaftsvertretern hätten die Sozialdemokraten die Mehrheit im
ÖBB-Infra-Bau-Aufsichtsrat. Und die würde eher eine Verlängerung des
Vorstandsmandats des Ex-FPÖ-Bundesgeschäftsführers Trattner goutieren, als der
Besetzung dieses wichtigen Postens mit einem der ÖVP zurechenbaren
Finanzfachmanns.
Immerhin handle es sich bei Trattners Funktion um eine der wichtigsten im
ÖBB-Konzern insgesamt, hat er doch über Milliardenfinanzierungen zu entscheiden.
Außerdem verfügt die ÖBB-Bau über die gesamte Schieneninfrastruktur und somit
über praktisch alle wichtigen Vermögenswerte der Bundesbahnen.
Klar ist freilich auch, dass der ÖBB-Bauvorstand im Gesamtpaket mit der
Neubesetzung des Holding-Finanzchefs (Nachfolge Erich Söllinger) und dem
Produktionsvorstand der ÖBB-Personenverkehr AG zu sehen ist. Bei beiden Posten
kamen die Eigentümervertreter und Kapitalvertreter bis jetzt auf keinen grünen
Zweig.
Im Personenverkehr steht zwar noch kein Sitzungstermin fest, aber eine
Kampfabstimmung zwischen den beiden Vorstandsanwärtern Franz Seiser und Werner
Kovarik an, wobei Seiser die Nase vorn haben soll, weil er auch auf die ÖVP
zählen kann. Für den Postbus wird Christian Eder genannt, ein IT- und
Controlling-Experte aus den Reihen der ÖBB.
Bleibt das Jointventure mit der deutschen Railion als Streitpunkt:
Kapitalvertreter im Aufsichtsrat halten eine Vertiefung der Zusammenarbeit von
RCA und Railion für problematisch, weil damit für den Gesamtkonzern ÖBB
allfällige andere Bahnpartner ausgebremst würden und die Deutschen billigen
Zugang zum exzellenten ÖBB-Maschinenpark bekämen. (Luise Ungerboeck, DER
STANDARD, Print-Ausgabe, 10.7.2008)