"Werkstatt Frieden & Solidarität"

Stellungnahmen zur sog. „EU-Wende“ der SPÖ - "Mogelpackung"

Der solidarische Widerstand gegen den Lissaboner Vertrag, der in einer Menschenkette für eine Volksabstimmung von über 5000 Menschen vor dem Parlament gipfelte, zeigt seine Wirkung. Ein Blitz schlug jetzt in die Bundesparteizentrale der SPÖ ein und Kanzler Gusenbauer mit Parteichef Faymann veröffentlichen ein Papier, in dem ein Gesinnungswandel in Sachen EU vorgetäuscht werden soll. Doch Vorsicht, die Regierungspropaganda samt deren Phrasen vom Friedensprojekt Europa, der Sozialunion und der fortschreitenden Demokratisierung wird dort weiterhin getrommelt, so als würden wir nicht die Auswirkungen der realen Europapolitik erleben. Wie vor der Ratifizierung des Lissabonner Vertrages im April dieses Jahres, als die Österreicher/Innen keine oder tendenziöse Informationen von Seiten der SP-ÖGB Schaukel verabreicht bekamen, so wird jetzt in diesem Papier der Parteispitze, wahl- und parteitaktisch eine „Wende“ in der Europapolitik vorgegaukelt.

Nicht über den Lissabonner Vertrag sollten wir in einer Volksabstimmung entscheiden dürfen, nein, die SPÖ würde sich bei dem jeweiligen Koalitionspartner „Gehör verschaffen“ und diesen von Ihrer pseudokritischen Vorgangsweise überzeugen wollen. Das heißt, sollte nach der Einbetonierung dieses EU-Reformvertrages den Euroeliten noch etwas Scheußlicheres einfallen, dann werden sich Gleichgesinnte gegenseitig überzeugen wollen, dass es für das Volk da draußen das Beste ist, solch komplizierte EU-Verträge ausschließlich den klugen Eliten im Parlament einsam entscheiden zu lassen.

Denn könnte die SPÖ in der jetzigen Situation Ihren Koalitionspartner von der Wichtigkeit einer Volksabstimmung überzeugen? Wie würde eine dazu stattfindende Informationskampagne gleich welcher Regierung aussehen? In etwa so! Blühendes Europa mit immer höherer Sicherheit durch Investitionen in intelligente Produkte (also gesicherte Rüstungssteigerung), flexible Menschen und Ihrer Zeit (prekäre Arbeitsplätze und Flexibilisierung der Arbeitszeiten), Wohlstand für alle (die es sich richten können) und mehr Demokratie (z.B. Eurovolksbegehren mit unmöglichen Bedingungen). Dazu noch das Geschwafel einer Nebelbombe Namens Sozialunion!

So eine Mogelpackung, als Wende Ihrer Europapolitik zu verkaufen, ist der Beweis, die Menschen für dumm und unfähig zu erklären, die reale Europapolitik und deren reale Auswirkungen zu erkennen. Wir dürfen es nicht den jetzigen und zukünftigen Machthabern und deren eifrigen Lobbys überlassen, Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg zu treffen, denn diese münden sofort im Abbau von demokratischen Rechten, in der Aushebelung der Kollektivverträge durch den EuGH, der Zerschlagung des Gesundheitssystems durch so genannte „Reformen“, in aberwitziger Aufrüstung des Militärischen Komplexes und der Renaissance der Atomkraft, der Mästung der Konzerne und Generäle.

Sollte man es mit einer Wende ernst meinen, so müsste sofort die Ratifizierung des Lissabonner Vertrages vom April dieses Jahres zurückgenommen werden. Nur so ist ein erster Schritt in Richtung eines neutralen und solidarischen Österreich möglich.

Rudi Schober (SPÖ-Gemeinderat Ottensheim)

„Hass auf die Bevölkerung"

Der Brief von Faymann und Gusenbauer an Krone-Herausgeber Dichand – zur „EU-Wende“ der SPÖ hochstilisiert - schlägt hohe Wellen. Daran ist einiges bemerkenswert:

(1) Liest man den Brief von Gusenbauer und Faymann an die Krone im Detail, erinnert man sich unwillkürlich an Shakespeare: „Viel Lärm um nichts!“ Denn es ist ein Text voller Hintertüren: „Wenn es einen veränderten EU-Vertrag“ gibt, wird die SPÖ versuchen „den Koalitionspartner zu überzeugen“, eine Volksabstimmung darüber abzuhalten. D.h. um den jetzt vorliegenden EU-Reformvertrag, der u.a. zur Aufrüstung verpflichtet, ein militarisiertes Kerneuropa einläutet, im Widerspruch zur Neutralität steht und die neoliberale Wirtschaftsdoktrin festschreibt, geht es der SPÖ gar nicht. Was wenn der EU-Reformvertrag nicht verändert wird? Und was wenn der Koalitionspartner nicht will? Gusenbauer und Faymann muss daher klar gesagt werden: Entweder ihr seid bereit, die ohne Volksabstimmung erfolgte Ratifizierung des EU-Reformvertrags vom April 2008 zurückzunehmen, oder der Brief an den „Herausgeber“ ist ein lächerliches und peinliches Täuschungsmanöver.

(2) Bezeichnend sind freilich auch die Reaktionen auf den Brief. Schon die unverbindliche Erklärung, dass man vielleicht einmal daran denken könnte, die Bevölkerung irgendwann über grundlegendes Verfassungsrecht abstimmen zu lassen, löst bei ÖVP, Grünen, Teilen der SPÖ und den sog. „Qualitäts“medien eine hysterische Stimmung aus, als ob der Staatsnotstand ausgebrochen wäre. Bemerkenswert auch der Kasernenhofton, mit dem der eh. deutsche Außenminister Joschka Fischer der österreichischen Politik ausrichten lässt, dass Volksabstimmungen in EUropa rein gar nichts zu suchen haben. Das alles erlaubt einen Blick auf die tiefgehende autoritäre Wende, die mit dem Großmachtsprojekt EU untrennbar verknüpft ist. Der frühere EU-Kommissar Franz Fischler im O-Ton: „Es stimmt natürlich, dass die Union ein Elitenprojekt ist.“ (Presse, 14.07.2008) Dieses Projekt ist derart feindselig gegenüber den Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung, dass die Eliten zunehmend in einen regelrechten Hass auf die Bevölkerung verfallen, wenn sich Widerstand rührt. Und diesem Hass kann leicht Repression folgen. Seit 2002 wurden in allen EU-Staaten Paragrafen in das Strafrecht eingeführt (in Österreich sind das die §§ 278 ff. StGB), die so dehnbar formuliert sind, dass politisches Engagement rasch in die Nähe einer „kriminellen“ bzw. „terroristischen“ Aktion gerückt werden kann, wie 10 Tierrechts-AktivistInnen das derzeit am eigenen Leib erleben müssen. Diese Reaktionen bestätigen uns, dass eine demokratische Wende letztlich nur außerhalb der EU zu erringen ist.

(3) Der Faymann/Gusenbauer-Brief zeigt freilich auch, dass der Widerstand gegen den EU-Reformvertrag Wirkung zeigt und die Mächtigen beunruhigt. Umso wichtiger ist es für die demokratischen Bewegungen jetzt, sich nicht vom Sturm einlullen zu lassen, der ob des SP-Briefes derzeit im medialen Wasserglas tobt. Denn ebenso wie die wiederkehrenden Scheingefechte zwischen FPÖ/BZÖ und dem politischen Zentrum dient auch der jetzige Streit um die angebliche „EU-Wende“ der SPÖ vor allem als Theaterdonner, um die Bevölkerung auf den Zuschauertribünen festzuhalten. Mit Aktionen wie der Menschenkette um das Parlament am 5. April sind viele Menschen in Bewegung gekommen. Eine breite und bunte Bewegung hat sich in Irland gegen die scheinbare Übermacht des Establishments durchgesetzt. Nichts fürchtet die Eliten mehr als die Eigenaktivität von Menschen, die sich für ihre Interessen engagieren. Darauf kommt es jetzt mehr denn je an, wenn wir den Marsch in eine zunehmend autoritäre Gesellschaft aufhalten wollen. Als Werkstatt wollen wir hilfreich und nützlich sein, diese Eigenaktivität zu entfalten, und laden alle Interessierten herzlich zur Mitarbeit ein.

Gerald Oberansmayr (Werkstatt Frieden & Solidarität)

"Sand in die Augen gestreut"

Liebe "Freunde"! (Genossen gibts keine mehr?)

Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen? Seit Monaten kämpfen Linke wie ich gegen dieses EU "Reform" Machwerk, wir haben gemeinsam mit vielen anderen (echten) Freunden die Plattform Volxabstimmung initiert, eine Demo in Wien mit über 5000 Teilnehmern organisiert und wir sind in dieser Zeit von vielen Sozialdemokraten (in div. Gremien) dafür geprügelt worden, nur weil wir ein Mindestmaß an demokratischer Mitentscheidung durch das Volk gefordert haben.

Jetzt taucht ihr auf einmal auf (zugegebenermaßen mit Ausnahme von Erich Haider, der ein Referendum schon früher eingefordert hat) hängt euch dieses Thema an euer Fahnderl. Peinlicher geht´s ja nimmer! Entweder ich bin dafür oder ich bin gegen ein Referendum, aber jetzt auf einmal, nachdem in Irland trotz massiver Intervention von außen die Menschen ihre Meinung kundgetan haben und laut der jüngsten Umfrage nur mehr ein kleiner Bruchteil der ÖsterreicherInnen (zu Recht) Vertrauen in diese EU hat, jetzt springt ihr auf und versucht euch in einer beispiellos niederträchtigen Manier diesem Thema anzunehmen. War das nun ein Kniefall vor der FPÖ? Oder vor der Kronen Zeitung?

Wie wär´s mal mit einer substantiellen Kritik an der EU? Ihr habt von Anfang an (Ederer, Vranitzky, Swoboda,...) den Menschen betreffend der Perspektive EU Sand in die Augen gestreut, habt ihnen eingeredet die einfachen Menschen werden mehr Geld zum Leben in der Tasche haben, es wird mehr Geld für Sozialpolitik geben, die EU sei ein Friedensprojekt und die Neutralität wird unter einer fortschreitenden EU-Integration nicht leiden. Aber genau diese Punkte stehen diametral der EU-Politik und ihrer Verfasstheit gegenüber. Dieser Vertrag von Lissabon sollte nur mehr den juristischen Überbau der schon längst betriebenen Politik einzementieren.

Daher kann doch bitte nicht die Forderung nach einer Volksabstimmung (einer nationalen oder EU-weiten?) bei künftigen Verträgen die Position sein, sondern muss konsequenter Weise auch der Vertrag von Lissabon einem solchen Referendum unterzogen werden und letztendlich die EU als Projekt des transnationalen europäischen Monopolkapitals in Frage gestellt werden. Aber das wäre ja dann bereits eine Kritik am zur Zeit herrschenden imperialistischen Hegemon und somit eine substanzielle Ablehnung der kapitalistischen Verhältnisse. Und mit denen hat sich die Sozialdemokratie ja leider Gottes schon lange abgefunden...

Wie auch immer - diese Aktion wirkt eher wie das Zucken eines Halbtoten (SPÖ), als eine konsequente Haltung in einer hochbrisanten politischen Frage.

David Stockinger (stv. Landesvorsitzender SJ NÖ, Mitglied des Bezirksparteivorstandes SPÖ Schwechat)