Deutsche Bahn
Tiefensee soll Mehdorn zur Vernunft bringen
Transnet-Chef Hansen macht Druck: Kurz nach der Einigung zwischen GDL und Bahn fordert die Konkurrenzgewerkschaft Verkehrsminister Tiefensee zum Einschreiten auf. Er soll den Jobabbau verhindern.
Von Klaus Ott

Eigentlich kommen Norbert Hansen und Hartmut Mehdorn, trotz ihrer unterschiedlichen Interessen, ganz gut miteinander aus. Nach harten Verhandlungen sitzen die beiden manchmal abends gemütlich beim Bier zusammen und plaudern über dies und jenes. Doch jetzt ist Hansen, dem Chef der Bahngewerkschaft Transnet, der Kragen geplatzt. Er hat Mehdorn, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn (DB), einen bösen Brief geschrieben. Die Botschaft endet mit den Worten, "ich erwarte, dass Sie mit mir kurzfristig ein persönliches Gespräch führen". Hansen verlangt, dass Mehdorn seine Drohung zurücknimmt, wegen des für den Verkehrskonzern angeblich viel zu teuren Tarifabschluss mit der Lokführergewerkschaft GDL Arbeitsplätze zu streichen. Das sei unverantwortlich. Die Transnet werde das "niemals widerstandslos hinnehmen".
Eine Kopie seines Briefes an Mehdorn hat Hansen sogleich an Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee geschickt und den SPD-Politiker zum Eingreifen aufgefordert. Als Eigentümer der Bahn müsse sich der Bund um sein Unternehmen kümmern, betont Hansen in der Post an den Minister. Tiefensee solle verhindern, dass es wegen des Tarifabschlusses zu einer "Arbeitsplatzvernichtung" bei der Bahn komme. Nach Hansens Ansicht ist das für den SPD-Politiker auch möglich, indem der im Rahmen seiner Zuständigkeit als Minister auf die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat der Bahn entsprechend einwirke.
Hansen: Inszeniertes "Verwirrspiel"
Dazu fordert der Gewerkschaftsvorsitzende den Verkehrsminister "nachdrücklich" auf. Hansen beklagt gegenüber Tiefensee auch, dass der Bahnvorstand die Beschäftigten und die beiden Konkurrenzorganisationen der GDL, die Transnet und die GDBA, unzureichend über den neuen Tarifvertrag für die Lokführer informiert habe. Dieses von der Bahn inszenierte "Verwirrspiel" müsse sofort beendet werden.
Nach dem Tarifabschluss mit der GDL hatte Mehdorn erklärt, die Lohnerhöhung bei den Lokführern um elf Prozent koste das Unternehmen in den nächsten fünf Jahren eine Milliarde Euro. Um das auszugleichen, werde die Bahn die Fahrkarten verteuern und Arbeitsplätze streichen. Der mit den Gewerkschaften bestehende Beschäftigungspakt sei "so nicht mehr existent", verkündete der Konzernchef. Dieses Abkommen schließt betriebsbedingte Kündigungen bis 2010 aus.

Nach Darstellung von Hansen ist der Tarifvertrag mit der GDL für die Bahn gar nicht teurer als das, was die Transnet und die GDBA zuvor für den Großteil der Beschäftigten ausgehandelt haben. Die Transnet hat ausgerechnet, dass die Lokführer einschließlich einer Sonderzahlung insgesamt 13,5 Prozent mehr Lohn bekämen – angeblich, denn Genaueres wisse man ja nicht. Hansen erinnert Mehdorn an eine Eckpunktevereinbarung vom November 2007 mit der Transnet, der größten der drei Bahngewerkschaften, und der GDBA. "Wir haben von Ihnen die Zusage für deutlich höhere Einkommensverbesserungen erhalten."
Nun sorgt sich der Transnet-Chef, ob sein Abkommen mit der Bahn, das ja besser ausfallen soll, wegen des vermeintlich schlechteren Abschlusses der GDL in Gefahr gerate. "Wir sind nicht bereit, hinzunehmen, dass dieses Ergebnis", gemeint ist das Eckpunktepapier mit Transnet und GDBA, "möglicherweise im Nachhinein reduziert wird", schreibt Hansen an Mehdorn. Die Belegschaft müsse sofort und umfassend informiert werden, wie es nun weitergehe. Die Art und Weise, wie die Bahn und die GDL miteinander verhandelt hätten, habe bei den Beschäftigten zunehmend Verwirrung und Misstrauen ausgelöst.
Im Brief an den Bahnchef kritisiert der Transnet-Vorsitzende übrigens auch, die Einschaltung von Tiefensse in die Gespräche mit der GDL sei ein Eingriff in die Tarifautonomie gewesen. In seiner Post an Tiefensee verlangt Hansen nun selbst, der Minister solle einschreiten.
(sueddeutsche.de/sma)