Wirtschaftsprüfer-Gutachten übt scharfe Kritik an Millionenspekulationen der ÖBB
Prüfer kommen zu vernichtendem Ergebnis: "Mit dem Abschluss wurde in vielfacher und grober Weise gegen die Konzernrichtlinien verstoßen"
Wien (OTS) - Wie die Wiener Wochenzeitung
Falter in ihrer am Mittwoch erscheinenden Ausgabe berichtet, wussten sowohl
ÖBB-Finanzvorstand Erich Söllinger wie auch ÖBB-Chef Martin Huber zu einem sehr
frühen Zeitpunkt von den umstrittenen Finanzspekulationen, auf die sich die ÖBB
im Herbst 2005 eingelassen hatten. Das geht aus einem mit 31. März datierten,
streng vertraulichen, dem Falter vorliegenden Zwischenbericht der
Wirtschaftsprüfungskanzlei Deloitte an den Aufsichtsrat der ÖBB-Holding hervor.
612,9 Millionen Euro hatte die ÖBB an internen Kontrollinstanzen vorbei im
Schnellverfahren und ohne Absicherungsvereinbarung in ein hochspekulatives
Kreditprodukt der Deutschen Bank investiert. Dass ein Infrastrukturunternehmen
wie die ÖBB solche Deals eingeht, sei absolut unüblich, rügen die
Wirtschaftsprüfer.
Zitat aus dem Bericht:
"Bei Ausfall des einzigen im Detail befassten Mitarbeiters könnte es zum
Schlagendwerden wesentlicher Risiken aus nicht vertragskonformer Abwicklung
kommen." Auch die Empfehlung der Wirtschaftsprüfer ist eindeutig. Das
Kreditgeschäft sollte keinesfalls unverändert bis zum Ende der Laufzeit
weitergeführt werden. Die Risken seien schlicht zu hoch.
Verwunderlich ist nicht nur, dass die ÖBB-Manager ohne Genehmigung der
Eigentümervertreter auf den Finanzmärkten agierten, sondern auch die Art und
Weise, wie die Transaktion im September 2005 zustande kam. Bestätigt wurde der
Deal nicht von Söllinger, sondern von einem Mitarbeiter namens Franz Wanzenböck,
und zwar per e-mail am 19. September 2005 um 17 Uhr 11. Mit dem Hinweis, dass
das Geschäft "aufgrund der nicht vorhandenen Vollmacht" (Zitat aus dem
Gutachten) seinerseits tags darauf noch formal abgesegnet werde. Der Abschluss
erfolgte also "ohne Absicherungskomponente, ohne detailliertes
Produktverständnis und ohne Aufsichtsratsgenehmigung von Holding oder
Gesellschaften", so die Prüfer. Finanzvorstand Söllinger wurde von Wanzenböck
schon am 29. August 2005 per e-mail über das Angebot der Deutschen Bank
informiert.
Auch eine Risikoanaylse gab es erst im Nachhinein. Spätestens ab 10. November
2005 wusste auch ÖBB-Chef Huber über die Nebenwirkungen der Aktion Bescheid.
Damals betonte die Deutschen Bank in einem Schreiben noch einmal, dass der
Vertrag aus ihrer Sicht seit 20. September rechtsgültig ist - und eine Auflösung
einen zweistelligen Millionenbetrag kosten würde. Eine Woche später beginnen
monatelange Nachverhandlungen mit den Deutschen. Letztlich wird das gesamte
Vertragswerk, nun um Absicherungsvereinbarungen erweitert, im Juli 2006 nur von
drei Vorständen (Bau-AG, Personenverkehr-AG und Rail Cargo Austria-AG)
genehmigt. Zitat aus dem Deloitte-Gutachten: "Mit dem Abschluss wurde in
vielfacher und grober Weise gegen die Konzernrichtlinien verstoßen. Besonders
schwer wiegt der Verstoß gegen das Spekulationsverbot sowie die Verletzung des
Vier-Augen-Prinzips bei Abschluss der Transaktion. Die abgeschlossenen
Finanzgeschäfte stellen zudem einen "Fremdkörper" beziehungsweise "ungewollte
Geschäfte" im System der Konzernrichtlinien dar."
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