Kommen mit der Arbeitszeitflexibilisierung Lohnkürzungen?

 

Im ÖVP-SPÖ Regierungsprogramm ist eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten vorgesehen. Diese Flexibilisierung geht zu Lasten der ArbeitnehmerInnen, nicht nur hinsichtlich der steigenden gesundheitlichen Belastung, des Verlustes von Freizeit und damit Lebensqualität – sondern kann auch Lohnverluste mit sich bringen!

 

Folgende Maßnahmen sind u.a.  geplant:

-          Anhebung der täglichen/wöchentlichen Höchstarbeitszeitgrenzen auf 12 bzw. 60 Stunden von derzeit 12 auf 24 Wochen jährlich (in
       betriebsratsfreien Betrieben auch durch Einzelvereinbarung!)

-          Generelle Ermächtigung an den Kollektivvertrag, die Normalarbeitszeit auf 10 Stunden/täglich zu erhöhen

-          Flexibilisierung der Lage der Wochenendruhe im Schichtbetrieb

-          Jahresarbeitszeitmodelle auf Kollektivvertrags-Basis

-          12 Stunden Schichten bei arbeitsmedizinischer Unbedenklichkeit

 

Wirtschafts- und „Arbeits“minister Bartenstein hat seine eigene Interpretation der Arbeitszeitflexibilisierung. Er erwartet sich seitens der Sozialpartner – ÖGB und Wirtschaftskammer eine Umsetzung dieser Maßnahmen im Sinne der Industriellenvereinigung. Nämlich den 10-Stunden Normalarbeitstag – was einen Wegfall der Überstundenzuschläge mit sich bringen würde! Ein Lohnverlust für die ArbeitnehmerInnen in Milliardenhöhe!

 

Wenn die  Bundesregierung im gleichen Atemzug  „…eine verbesserte Durchsetzung des Arbeitszeitschutzes zur Förderung des Gesundheitsschutzes und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Freizeit“ , ankündigt, ohne genauere Konkretisierung selbstverständlich,  zeigt sich der offensichtliche Widerspruch:  es ist allgemein bekannt,  dass längere Arbeitszeiten sinkende Produktivität, höhere gesundheitliche Belastungen und eine wesentliche Verschlechterung bei der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und soziales Leben nach sich ziehen.

 

Arbeitszeitflexibilisierung = höhere Arbeitslosigkeit

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) bestätigt, dass durch eine Ausdehnung der Arbeitszeit die Jobchancen Erwerbsloser verringert und die Arbeitslosigkeit erhöht wird. Die Bundesregierung gibt allerdings vor, „Vollbeschäftigung“ erreichen zu wollen. Wie das zusammengehen soll, darauf bleiben SPÖ und ÖVP die Antwort schuldig.

 

Dkfm. Dr. Ewald Walterskirchen (WIFO Forschungsbereichskoordinator): „Durch eine Verlängerung der Jahresarbeitszeit um 10% wird die Zahl der Erwerbstätigen um 2,5% zurückgehen, die Arbeitslosenquote wird um 1,5% steigen“.

 

 

Österreich = lange Arbeitszeiten

 

  

Unselbständige Beschäftigte – Vollzeit - Ø normale Wochenarbeitsstunden
 
42,4 40,7 40,3 40,3 38,7
Österreich Ungarn EU 15 BRD Norwegen

 

(Quelle: AK Oberösterreich Beschäftigungsquote: Österreich – 69%; Norwegen – 75,5%)

 

Österreichische ArbeitnehmerInnen sind schon sehr flexibel. So arbeiten 26,6% aller unselbständig Beschäftigten an Samstagen (EU 25 = 14,5%). 13,7% an Sonntagen (EU 25 = 7,1%) und 17,9% sind mit Schichtarbeit konfrontiert (EU 25 = 15,0%).

 

Eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten a la Bartenstein würde die ArbeitnehmerInnen durch entfallenden Überstundenzuschläge ca. 1 Milliarde Euro kosten. Also eine Lohnkürzung!

 

Ladenöffnungszeiten oder die Mär von den Mehr-Arbeitsplätzen

In den vergangenen 20 Jahren sind gravierende Änderungen im Bereich der Ladenöffnungszeiten  gegen den Widerstand der Gewerkschaften und den betroffenen Handelsangestellten durchgeführt worden.

 

Step by Step wurden die Arbeitsbedingungen im Handel verschlechtert. Von den, von der Wirtschaft versprochenen zusätzlichen Arbeitsplätzen, sind im überwiegenden Fall nur Teilzeitarbeitsplätze übrig geblieben. Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse sind sukzessive durch Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse und geringfügige Beschäftigung ersetzt worden.

 

Vor allem Frauen sind von dieser Entwicklung mehrfach betroffen. Nicht nur, dass von Teilzeitlöhnen niemand ein menschenwürdiges Leben führen kann, tragen längere Öffnungszeiten dazu bei, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zunehmend unter die Räder kommt. Eine weitere Ausweitung der Ladenöffnungszeiten wird die Situation – vor allem für AlleinerzieherInnen – massiv verschlechtern.

 

Fehlende öffentliche Verkehrsverbindungen und das Fehlen von Kinderbetreuungseinrichtungen, vor allem im ländlichen Raum, drängen diese Frauen „zurück an den Herd“  und damit in die Abhängigkeit vom Partner.

 

Das kann keine zukunftsweisende Politik im Interesse der Menschen sein, vor allem wenn man bedenkt, dass über kurz oder lang, auch in anderen Bereichen die Arbeitszeiten den geänderten Bedingungen angepasst werden müssen. Auch bei Ämtern, Behörden, Banken und Dienstleistungsunternehmen müssen in Folge Öffnungszeiten erweitert werden. Dies wird es mit sich bringen, dass auch in diesen Bereichen prekäre Arbeitsverhältnisse Einzug halten werden. Mit den bekannten Auswirkungen.

Zwar behaupten die Unternehmerverbände, dass eine Ausweitung der Ladenöffnungszeiten mehr Umsatz mit sich bringe, doch hält diese einer näheren Überprüfung nicht stand. Mehr Umsatz kann es nur geben, wenn die KonsumentInnen mehr Geld in der Tasche haben. Genau das Gegenteil ist aber der Fall.

 

Österreich = sinkende Lohnquote

 



Das ausbezahlte Volkseinkommen verteilt sich auf Arbeitsentgelte einerseits, sowie Gewinn- & Besitzeinkommen andererseits.


Seit 2001
sinkt die Lohnquote

                          Lohnquote 1993 - 2005

 

Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass sich die sinkende Lohnquote auf immer mehr ArbeitnehmerInnen (steigende Beschäftigungszahlen) verteilt.

 

Inflationsbereinigt und netto (nach Abzug von Steuern und Abgaben), kann sich ein/e ArbeitnehmerIn nur um ca. 4 Prozent mehr leisten als vor 10 Jahren. Der Wohlstand ist im selben Zeitraum allerdings dreimal so stark angewachsen. Die Produktivität stieg im selben Zeitraum um über 15 Prozent!

 

Österreich braucht Umverteilung -  von Arbeit und Reichtum!

Hunderttausende ArbeitnehmerInnen leisten regelmäßig Überstunden – ob sie wollen oder nicht. Für viele sind Überstunden notwendig, um ihr mageres Grundeinkommen anzuheben. Regelmäßig geleistete Überstunden wirken allerdings gegen das Vollbeschäftigungsziel und belasten Gesundheit, Familienleben und soziale Aktivität.

 

Hier ist die Politik gefordert, dass aus diesen Mehrleistungen ein mehr an Arbeitsplätzen wird. Durch eine Arbeitszeit- und Steuerpolitik, die die Belastungen zurücknimmt. Eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten zulasten der ArbeitnehmerInnen lehnen wir ab. Wir fordern daher

 

-    höhere Grundlöhne, durch einen gesetzlich verankerten Mindestlohn in Höhe zwischen 7 und 8 Euro/Stunde und eine offensive Lohnpolitik der Gewerkschaften. Der vorgesehene Generalkollektivvertragliche Mindestlohn von € 1000,- umfasst weder alle Beschäftigtengruppen noch ist er ausreichend armutsverhindernt (Stundenentgelt bei
€ 1.000,-: € 5,8)

-    progressive Sozialversicherungsbeiträge bei geleisteten Überstunden (mit jeder zusätzlich geleisteten Überstunde steigen die Sozialversicherungsbeiträge progressiv)

-    eine umfassende Arbeitszeitverkürzung – sowohl täglich als auch wöchentlich (erster Schritt 35-Stunden-Woche),  Ausbau der Inanspruchnahme beruflicher Auszeiten (Sabbaticals), finanziell und sozialrechtlich abgesichert

-    Sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung „atypischer“ Beschäftigungsverhältnisse

 

Darüber hinaus fordern wir auch eine neue solidarische „Umverteilungspolitik“, welche die Finanzierung öffentlicher, sozialer Leistungen auf eine breitere Basis stellt. Zum Beispiel durch die Einbeziehung von Einkommen aus Besitz und Vermögen in die Bemessungsgrundlage der Beiträge zu den Krankenversicherungen.

 

Weiters sind die Sozialpartner – vor allem ÖGB und AK – stärker in die Pflicht zu nehmen, dass Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen aufgehoben werden.

 

Hedenig Anton

Bundesvorstandsmitglied der VIDA