ÖBB Bilanz: Verfehlter Jubel

Wien (OTS) - Von einer "Rekordbilanz" spricht die ÖBB angesichts des Jahresabschlusses 2006. Wenn man aber im Geschäftsbericht genauer sucht, findet man zahlreiche unerfreuliche Fakten: Nur rund 30 % des Gesamtumsatzes bzw. nur ein Viertel der Gesamterträge werden am Markt durch Verkehrsleistungen erzielt. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) liegt trotz Zuwächsen bei kaum wahrnehmbaren 0,7 % des Umsatzes. Und die Marktanteile der ÖBB befinden sich weiter im Sinkflug.

Die Zahl der Fahrgäste der ÖBB ist 2006 um 1,8 % gestiegen. Im Vergleich zu den noch schwächeren Zuwachsraten der vorangegangen Jahre ein Erfolg, angesichts der Rekordpreise an den Tankstellen eine bescheidene Zunahme. Dass die Attraktivität der ÖBB für die Konsumenten nicht größer ist liegt nicht zuletzt daran, dass der Schwerpunkt der Investitionstätigkeit in die großen Fernverkehrsachsen erfolgt, wogegen rund 93 % der Fahrgäste die Angebote der ÖBB im Nahverkehr nutzen. Kein Wunder, dass es der ÖBB nicht gelingt, dem jährlich um durchschnittlich fast 4 % wachsenden Pendlerstrom die Vorzüge des Bahnfahrens schmackhaft zu machen. Auch nicht erfreulich: Bereits 27 % der ÖBB-Fahrgastkilometer werden auf der Straße (im Bus) zurückgelegt.

Die ÖBB gratuliert sich zu einem Rekordwert an beförderten Tonnen (92,7 Mio.). Mit einem jährlichen Zuwachs von nicht einmal 1,5 % seit dem Jahr 2000 fällt die ÖBB aber immer weiter hinter die Transportleistung des Straßengüterverkehrs zurück - obwohl die Einführung der LKW-Maut und zuletzt hohe Treibstoffpreise das Marktumfeld für die Bahn drastisch verbessert haben. Die den Ausbauplänen der Bahn zugrundeliegende Verkehrsprognosen werden laufend unterschritten. Angebliche Kapazitätsengpässe werden daher in der Realität nie auftreten. Besonders peinlich für die Bundesbahn: Die höchsten Zuwächse im Gütertransport hatte 2006 der bahneigene Kraftwagengüterverkehr. Wenn selbst die Bahn immer weniger Bahn fährt - wie soll sie dann Kunden überzeugen ?

Die ÖBB investiert rund 1,5 Mrd. Euro pro Jahr in die Schieneninfrastruktur, und plant dieses Volumen in den nächsten Jahren weiter zu steigern. Selbst wenn man die übrigen Investitionen - vor allem in das rollende Material - völlig außer acht lässt, fällt auf den ersten Blick das Missverhältnis zwischen den Investitionen und den (Markt-) Umsätzen der Bahn auf: Diese Marktumsätze sind geringer als die Investitionen in den Schienenausbau. Dies ist weder durch die Nachfrage, noch durch Kapazitätsengpässe und auch nicht durch einen bestehenden Nachholbedarf begründet, denn bereits in den letzten 25 Jahren wurde real mehr in Schieneninfrastruktur als in Bundesstraßen investiert - ohne damit die Marktanteilsverluste stoppen zu können. Die Zukunft der Bahn liegt in Nahverkehr und Güterlogistik, nicht in Rekordinvestitionen in Hochleistungsstrecken.

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Christoph Hartmann, freier Wirtschaftsjournalist
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