Streik in Ungarn

Deutschland – Frankreich – Ungarn

Das Italiener und Franzosen Streik als Mittel des Arbeitskampfes beherrschen, wussten wir schon lange. Auch die Deutschen ArbeitnehmerInnen, vor allem jene des öffentlichen Dienstes, haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie bereit sind für ihre Rechte auf die Strasse zu gehen.

Neu ist dies hingegen in Ländern wie z.B. Ungarn.

Nach dem Zusammenbruch des politischen Systems Ende der 80iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, hat sich in den meisten Ländern eine Art „Raubtier-Kapitalismus“ breit gemacht, bei dem die Menschen mehr und mehr auf der Strecke blieben. Wenige wurden Steinreich, viele rutschten in bittere Armut. Durch den EU-Beitritt und den damit verbundenen Wirtschaftsförderungen, gelang es so etwas wie eine Mittelschicht zu entwickeln.
Der immer stärker agierende Liberalismus zerstört die entstandenen Strukturen aber wieder. Öffentliches Eigentum wird verscherbelt, staatliche Aufgaben hin zu privaten Unternehmen verlagert. Die sozialen Einrichtungen und Leistungen werden massiv gekürzt. Betroffen davon: ArbeitnehmerInnen, Arbeitslose, Jungend und Familie und natürlich auch die Pensionisten.

Diese sozialpolitische Entwicklung wollten die ungarischen KollegInnen nicht mehr Widerspruchslos hinnehmen. Ein Landesweiter Streik war die logische Konsequenz gewerkschaftlichen Handelns.

Diesen Anlass wollten wir aufgreifen und uns bei den ungarischen KollegInnen Informationen aus erster Hand besorgen.
György Balla, Vizepräsident für internationale Angelegenheiten im „Verband Freie Gewerkschaften der Eisenbahner“, nahm sich die Zeit um sich mit Kollegen Hedenig Anton (UG-VIDA Bundessprecher), in Sopron zu einem Informationsaustausch zu treffen.

Hier der Bericht:

Im Gegensatz zu Österreich, wo es ein gemeinsames Dach der Gewerkschaften gibt, den ÖGB, gibt es in Ungarn 6 Konföderationen. Logisch, dass jede dieser Organisationen ihre eigenen Interessen verfolgt. Und auch so wie in Österreich gibt es auch in Ungarn Gewerkschaften, die sich zu politischen Parteien bekennen und deren Politik auf die Gewerkschaftsarbeit inhaltlich einwirkt. Hervorzuheben ist hier die MSZOSZ, die der sozialistischen Partei zuzurechnen ist. Und diese Partei stellt ja bekanntlich den Regierungschef.
In den österreichischen Medien wurde als Streikgrund die Forderung nach höheren Löhnen kolportiert. Laut Kollegen Balla gab es aber ganz andere Gründe, die diesen Streik auslösten.
So beabsichtigt die Ungarische Regierung die Pensionsversicherungsgesetze massiv zu verschlechtern. Ab 01. Jänner 2008 sollen alle ab diesem Zeitpunkt in den Ruhestand tretenden, 8,5 Prozent weniger Pension bekommen. Wenn man aber weis, dass in Ungarn die Pensionen sowieso schon sehr niedrig sind, dann ist dieser Abschlag natürlich nicht hinnehmbar.
Ein weiterer Grund für die Proteste ist der geplante Umbau der Krankenversicherung. Das derzeitige System soll zerschlagen und zum Teil privatisiert werden. Die Ungarischen Gewerkschaften befürchten, dass es dadurch zu einem Mehr-Klassen System kommen wird. Die freie Arztwahl, die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen gehört dann der Vergangenheit an.
Und last but not least, ging es auch darum, die Schließung von 38 Nebenbahnen zu verhindern und der Ungarischen Öffentlichkeit bewusst zu machen, welche Auswirkungen eine solche Verkehrspolitik haben wird. (Leider ist uns in Österreich eine solche Politik nicht unbekannt). Erstaunlich, dass Politiker nicht davor gefeit sind, immer wieder dieselben Fehler zu machen und nichts aus den Fehlern anderer zu lernen.
Diesem Streik schlossen sich neben den EisenbahnerInnen auch das medizinische Personal, Beschäftigte von Elektrizitätswerken, der Chemieindustrie und Bus-Lenker an.
Leider haben die Lokführer, diese sind großteils im „Autonomen Gewerkschaftsbund“ organisiert, an dieser Streikaktion nicht teilgenommen.
Bei der Abschlusskundgebung vor dem Budapester Parlament nahmen ca. 10.000 Demonstranten teil. Aus Sicht der ungarischen Gewerkschaften ein großer Erfolg, da der Organisierungsgrad in den Gewerkschaften leider nicht allzu groß ist.
Mit ein Grund ist sicher auch, dass es eben keinen einheitlichen Gewerkschaftsbund gibt. Hier hat auch der Europäische Gewerkschaftsbund (Anm. der Redaktion: Das ist jene Organisation, wo ein gewisser Fritz Verzetnitsch einmal Präsident war) einen schweren Fehler gemacht. Dadurch, dass er alle 6 Verbände in den Europäischen Gewerkschaftsbund aufgenommen hat, hat er den Funktionären dieser Verbände keinen Anlass gegeben, sich auf einen Dachverband zu einigen.

Abschließend:

Die Ungarischen Kollegen sehen sich vor großen Herausforderungen. Der Neo-Liberale Wind bläst ihnen ordentlich ins Gesicht. Solidarisches Verhalten auf Europäischer Ebene – also von uns allen – ist Gebot der Stunde.
Egal ob in Deutschland, Frankreich oder Ungarn, die Politik ähnelt sich in allen Europäischen Ländern. Der Europäische Gewerkschaftsbund ist aufgefordert endlich aus seiner Lethargie zu erwachen.

Für die UG-VIDA
Hedenig Anton