Kranksein in der Bundesbahn
Wie es ist, wenn eine Gewerkschaft eine Eisenbahn betreibt.
von Andreas Khol
Der ÖBB-Datenskandal ist ein Betrugsskandal und ein Sittenbild der Republik.
Der Bruch des Datenschutzes gilt als Verbrechen, der planmäßige Milliardenbetrug
am Steuerzahler wird sogar von den Staatsanwälten als lässliche Sünde gewertet.
Im ORF bestätigte der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Bahn die unfassbar hohen
Krankenstände und seine Erkenntnis: "Dass Mitarbeiter in einer Art Jahresplanung
ihre Urlaube abgleichen, ist verständlich; aufmerksam wurde ich, als ich
feststellte, dass sie auch ihre Kuren einplanten; misstrauisch wurde ich aber,
als auch die Krankenstände über das Jahr festgelegt wurden."
So bestätigte er: Missbrauch, Sonderrechte der Bahnmitarbeiter, Krankfeiern, ein
betrügerisches System des Erschleichens einer vorzeitigen Pension. Alles
zulasten des Steuerzahlers. Der Rechnungshof zeigte dieses System schon vor
Jahren auf. Die Polizei ermittelte erfolgreich, entlarvte die planmäßig
vorgetäuschten Krankheiten, die Gefälligkeitsgutachten, die erschlichenen
Frühpensionen in 4000 Fällen. Die Staatsanwälte stellten trotz erdrückender
Beweislast die Verfahren ein.
Kranksein in der ÖBB hatte also drei Spielarten: Man ist wirklich krank. Man
feiert krank. Man ist vorgetäuscht ein Jahr lang krank, um ohne Abzüge in die
Rente gehen zu können. Da braucht man natürlich genaue Aufzeichnungen, damit man
die Fälle unterscheiden kann. Der Pensionserschleicher tut dies ja im Interesse
und letztlich sogar im Auftrag des Unternehmens. Der Steuerzahler zahlt so den
nötigen Personalabbau. Solchen "Kranken" darf kein Haar gekrümmt werden. Der
wirklich Kranke darf auch keinen Nachteil haben - wer nämlich länger als 14 Tage
im Jahr krank war, unterlag in der ÖBB einem Beförderungsstopp: Der Tachinierer
sollte erkannt werden, um die Böcke von den Schafen zu trennen. Dabei spielte
der Betriebsrat voll mit: Er schützte die Pensionserschleicher ebenso wie die
wirklich Kranken. In diesem System wussten alle Bescheid. Schon mit den
48-jährigen Mitarbeitern wurde ein Krankenstandsplan gemacht: mit 48 krank, mit
49 in die Pension, dann beginnt das neue Leben - mit neuer Arbeit, die
Frühpension kurierte auch schlagartig alle Leiden. So ist es eben, wenn eine
Gewerkschaft eine Eisenbahn betreibt und ein anderer zahlt.
Wenn dann ein neuer Besen den daraus erwachsenden Milliardenbetrug am
Steuerzahler bekämpfen will, so ist das löblich. Der neue Vorstand wollte das
offensichtlich. Aber der Zweck heiligt auch hier die Mittel nicht. Es wäre auch
ohne Bruch des Datenschutzes gegangen. ÖBB-Frühpensionen, Pensionsprivilegien
von manchen Landesbediensteten, die neue Hacklerreglung: sie gefährden unser
Pensionssystem, hier sind Gesetzgeber und Regierung zu raschem Handeln
verpflichtet!
Univ.-Prof. Andreas Khol war Nationalratspräsident.