Oberster ÖBB-Personalchef
Franz Nigl entmachtet
Hanna Kordik (Die Presse)
Die Krankenstandsaffäre bei den Bundesbahnen
hat erste Konsequenzen: Die ÖBB-Aufsichtsräte haben DLG-Geschäftsführer Franz
Nigl am Wochenende einstimmig degradiert. Ihm wird ein Aufpasser zur Seite
gestellt.
WIEN. Rund um den Datenskandal bei den Österreichischen Bundesbahnen haben sich
die Ereignisse am Wochenende überschlagen: ÖBB-Chef Peter Klugar und
Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker sind in der Angelegenheit aktiv geworden
– in einem sogenannten Umlaufbeschluss haben die Aufsichtsräte der ÖBB-Holding
einstimmig Franz Nigl als Geschäftsführer der Dienstleistungsgesellschaft DLG
entmachtet. Emmerich Bachmayer wurde dem in Ungnade gefallenen Nigl als
Aufpasser zur Seite gestellt. Die DLG ist im Konzern unter anderem für das
gesamte Personalmanagement der Bundesbahnen verantwortlich.
Die Eile, mit der am Wochenende vorgegangen wurde, ist erstaunlich. Zumal der
Aufsichtsrat der Holding am vergangenen Dienstag stundenlang getagt hat – ohne
Ergebnis. Damals haben zwar etliche Aufsichtsräte Nigls Rücktritt gefordert, der
46jährige ÖBB-Manager erhielt allerdings massive Rückendeckung von Pöchhacker.
Eine Reihe von Aufsichtsräten bezeichnete am Dienstag Franz Nigl als
Hauptverantwortlichen für die Affäre: Im Mai 2008 hat ein ÖBB-Betriebsrat im
Rahmen einer Aufsichtsratssitzung auf vermutete Missstände bei der Erfassung von
Krankenstandsdaten von ÖBBlern hingewiesen. Damals wurde Nigl beauftragt, der
Sache nachzugehen. Der gab allerdings einen Monat später Entwarnung: An der
Sache sei nichts dran, lautete seine Conclusio.
Nigl: „Stand unter großem Zeitdruck“
Im Gespräch mit der „Presse“ rechtfertigte er
sich vergangene Woche damit, dass sein Bericht damals vom ÖBB-Vorstand „mehrmals
urgiert“ worden sei, er sei unter „großem Zeitdruck“ gestanden. Gleichzeitig
räumte er ein, einen „Fehler“ begangen zu haben: „Ja, es war ein Fehler, dass
ich mit zu wenig Nachdruck den Dingen nachgegangen bin.“
Dass die Aufsichtsräte nun mit einigen Tagen Verspätung die Entmachtung Nigls
als DLG-Chef beschlossen haben, liegt daran, dass offenbar „Gefahr im Verzug“
besteht: Intern heißt es, die Causa würde „eskalieren“. Es werden bereits
Vergleiche mit der Spitzelaffäre bei der Deutschen Bahn gezogen. Der
Aufsichtsrat musste rasch handeln, um nicht selbst haftbar zu werden. Die
nächste ÖBB-Aufsichtsratssitzung findet erst Ende November statt – da sei es in
der heiklen Causa zu spät für Beschlüsse dieser Art, heißt es.
Ex-Personalchef des Bundeskanzleramts
Der neue DLG-Geschäftsführer Bachmayer, der seit einigen Monaten in den ÖBB als
Personalchef unter Nigl arbeitet, gilt als Spezialist für das Beamtendienstrecht
– er war vor seinem Wechsel zu den ÖBB Personalsektionschef im Bundeskanzleramt.
Dass er jetzt Nigl zur Seite gestellt wird, zeugt von einem massiven
Vertrauensverlust gegenüber dem bisherigen Alleingeschäftsführer der DLG.
Tatsache ist, dass Nigl allein nichts mehr entscheiden kann. ÖBB-Sprecher Alfred
Ruhaltinger zur „Presse“: „Die DLG hat ab sofort zwei Geschäftsführer, die nach
dem Vieraugenprinzip entscheiden.“ Insider gehen freilich davon aus, dass es nur
eine Frage der Zeit ist, bis Nigl gänzlich abberufen wird.
Mit der Demontage von Franz Nigl ist die Sache für den ÖBB-Vorstand allerdings
noch nicht ausgestanden. In Krisensitzungen wird bereits überlegt, forensische
Gutachten für gelöschte/zu löschende Krankenstandsdaten anfertigen zu lassen.
Dies sei für Dokumentationszwecke, also den Erhalt von Beweismitteln notwendig.
Teuer wird das Ganze in jedem Fall: Solche forensischen Gutachten kosten
hunderttausende Euro.
Aufregung wegen Vergabeverfahrens
Mittlerweile schlägt auch ein Bericht der „Presse“ von vor wenigen Wochen über
angebliche Bieterbevorzugung bei der Bestellung von Containerstaplern durch die
ÖBB politisch hohe Wellen: Wie berichtet, hat ein Bericht der Internen Revision
im Konzern disziplinarrechtliche Konsequenzen gegen Einkaufschef Walter
Eschbacher empfohlen, weil Eschbacher (ein enger Vertrauter von ÖBB-Chef Peter
Klugar) während des Bieterverfahrens telefonischen Kontakt mit einem der Bieter
gehabt haben soll. Es gilt die Unschuldsvermutung, Eschbacher bestreitet die
Vorwürfe. Das BZÖ sieht in der Causa Staatsanwaltschaft und Rechnungshof
gefordert.